Das Lied der Liebe


Du bist einsam und ich auch.

Du hast Sehnsucht so wie ich.

Und wir warten, ob ein andrer kommt,

hocken da in unserm Schneckenhaus.

Und es ändert sich so gar nichts auf der Welt

und für uns,

denn es fehlt die Liebe.

  

Erst, wenn einer Liebe schenkt

nicht mit Worten, in der Tat,

wenn er fragt: Was fehlt dem andern bloß?

Wenn er fragt: Was kann ich für dich tun?

Wenn er ungefragt das tut, was er tun kann,

Ja, erst dann beginnt das Lied der Liebe.

 

Eine Mutter liebt ihr Kind.

Ein Pärchen küsst sich auf der Bank.

Der kranke Mann bekommt sehr oft Besuch.

Zwei alte Freunde gehn durch Dich und Dünn.

Eine Frau hält aus bei ihrem Mann,

obwohl er trinkt ...

Das ist das Lied der Liebe.

 

Da ist einer, der hört zu.

Da ist ein andrer, der packt an.

Da ist ein Dritter, der hat Zeit für mich.

Ein andrer nimmt mich leise ins Gebet.

Viele Stimmen zu der einen Melodie ...

So klingt das Lied der Liebe.

 

(aus: Hermann Josef Coenen, In Ninive und anderswo, Düsseldorf 1989)