Mein Leben –

eine Entdeckungsreise

(in: Erik Purk, Sehnsucht. Der spirituelle Fastenbegleiter, Stuttgart 2007, 52-53.)

 

„Man kann dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.“

(Cicely Saunders)

 

Dieses Wort hat´s in sich. Unsere Tage sind gezählt – wir können sie nicht vermehren. Aber wir können den Tagen, die uns geschenkt sind, mehr Leben geben. Wir besitzen das Leben nicht wie einen Gegenstand. Leben ist ein kostbares Gut. Nur weil uns Mutter und Vater immer wieder bei unserem Namen gerufen haben, sind wir mit der Zeit bei uns selber angekommen. Wir sind ins Leben „gerufen“, sagt die Bibel. Noch vor den Eltern hat der Schöpfer des Himmels und der Erde uns ins Dasein gerufen.

 

Am Anfang von allem und an unser aller Ursprung steht nicht irgendetwas, sondern Gott in seiner schöpferischen Liebe. Er hat jede und jeden von uns beim Namen gerufen. Das ist der Grund unserer besonderen Würde. Wir sind weder Zufallsprodukte noch Blindgänger. Wir sind keine Nummern in der Lotterie des Lebens. Jeder ist ein Original, keiner eine Kopie. Schon jedes Blatt am Baum ist ein einmaliges Exemplar. Die Schöpfung kennt kein Klonen.

 

Mit jedem, mit jeder hat Gott Besonderes vor. Das zu wissen, kann unseren Tagen mehr Leben geben, ob wir jung sind oder hochbetagt, erfolgreich oder ein Pechvogel, unbefangen oder durch eine tiefe Verletzung gezeichnet sind. „Liebe deine Geschichte“, sagt Leo Tolstoi. „Sie ist der Weg, den Gott mit dir gegangen ist.“ Das Geheimnis der eigenen Lebensgeschichte zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen, ist unser Auftrag – das Abenteuer unseres Lebens. Es geht weit über das hinaus, was wir planen und ins Werk setzen können. Karriere und Erfolg können wir vielleicht selber arrangieren. Die wichtigsten Dinge unseres Lebens sind jedoch nicht programmierbar: Liebe und Freundschaft, Glück und Segen.

 

Wer aufmerksam die Zeichen der Zeit beobachtet, wird feststellen: Bücher und Filme haben Konjunktur, die das Leben als Entdeckungsreise beschreiben. Ob in fiktive Welten, ob in den Innenraum der eigenen Seele, ob in ferne Kulturen und Religionen – es gilt, den Horizont zu erweitern und der eigenen Lebenswahrheit auf die Spur zu kommen.

 

Ein alter Mönch unterhielt sich mit einigen jungen Leuten, darunter auch mit Robert. Der Mönch wollte von Robert wissen: „Welches sind Ihre Zukunftspläne?“ „Ich möchte schnellstens mit dem Jurastudium beginnen“, antwortete der Abiturient. „Und dann?“, fragte der Mönch. „Nun, dann möchte ich eine Rechtsanwaltspraxis eröffnen, später möchte ich heiraten und eine Familie gründen.“ „Und dann, Robert?“ „Um ehrlich zu sein“, antwortete der junge Mann, „ich möchte recht viel Geld verdienen, mich möglichst früh zur Ruhe setzen und viele fremde Länder besuchen.“ „Und dann?“, fragte der Mönch in fast unhöflicher Beharrlichkeit. „Mehr Wünsche habe ich im Augenblick nicht“, entgegnete Robert. Der Mönch sah ihn an und sagte: „Ihre Pläne sind viel zu klein. Sie reichen ja höchstens für fünfundsiebzig oder achtzig Jahre! Ihre Pläne müssen groß genug sein, um auch Gott einzuschließen, und weit genug, um auch die Ewigkeit zu umfassen.“

 

Wort in den Tag:

 

Liebe deine Geschichte. Sie ist der Weg, den Gott mit dir geht.