Foto: Privat
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PRÄVENTION FÜR DIE SEELE – VORTRAG VON CHRISTOPH KREITMEIR, SEELSORGER UND BUCHAUTOR

(Text von Raymund Fobes)

 

Vorbeugend Ressourcen schaffen – auch für die Seele. Das stand im Mittelpunkt des Vortrags von Christoph Kreitmeir, Seelsorger am Klinikum Ingolstadt. Es war am 11. März, als er zu diesem Thema in der Ingolstädter Buchhandlung St. Willibald sprach, und es war die Zeit, als immer mehr Maßnahmen gestartet wurden, um die dramatisch steigende Kurve der Corona-Virus-Infektionen etwas abzuschwächen, dies auch im Bewusstsein, dass der Virus letztlich nicht mehr völlig zu stoppen ist.

 

Auch die KEB Ingolstadt ist betroffen: Kreitmeirs Vortrag war der letzte, bevor so gut wie alle anderen Veranstaltungen des Zentralprogramms bis Palmsonntag abgesagt wurden.

 

Die angespannte Situation machte auch eine wichtige Botschaft des Referenten, der als Klinikseelsorger hautnah mit Sicherheitsmaßnahmen wie auch mit Krankheit überhaupt konfrontiert ist, deutlich: Irgendwann wird jeden uns einmal eine Krankheit heimsuchen, und da ist es gut, davor nicht die Augen zu verschließen, sondern sich schon jetzt darum zu bemühen, Ressourcen zu entdecken, um im Ernstfall gewappnet zu sein.

 

Leben und nicht gelebt werden –

im Blick auf den Tod, der nicht das Ende ist

 

Zunächst einmal erweist es sich als außerordentlich hilfreich, selbst zu leben und nicht gelebt zu werden. Letztlich ist das die Grundlage für ein Verhalten, das uns auch mit der Erfahrung von Leid und Bedrängnis klarkommen lässt. Ein kurzer italienischer Zeichentrickfilm, der Christoph Kreitmeir als Jugendlicher tief beeindruckt hat, mit dem Titel „Das Leben in einer Schachtel“ zeigt dies sehr konkret. Er skizziert den Lebensweg eines Menschen von der Wiege bis zum Friedhof. Dabei taucht diese Person immer wieder im schwarzweißen Trott des täglichen Tuns unter – aber erlebt auch bunte Highlights: freie Momente in der Natur, die große Liebe, die Geburt eines Kindes und am Ende zeigt sich sogar den Tod in bunten Farben.

Im Blick auf den Tod bemerkte Kreitmeir, das Jenseits werde heute kaum thematisiert, der Verlust des Jenseits aber bedeute ein gnadenloses Diesseits. Alles müsse man in dieser Welt bereits mitnehmen, weil ja nach dem Tod nichts mehr kommt. Der Tod werde mithin zur unabwendbaren Katastrophe.

 

Dem Trend, alles in dieser Welt mitnehmen zu müssen, steht aber eine wichtige Tugend gegenüber, die besonders der Kranke haben sollte: die Geduld. Der lateinische Begriff für Geduld, so Kreitmeir, heißt „patientia“ und davon lässt sich das Wort Patient ableiten. Und solche Geduld ist für Patienten notwendig, da Krankheiten lange dauern können. Der Referent sprach von einer Krebspatientin, die bereits seit ein knappen halben Jahr im Klinikum liegt.

 

Doch biete es große Chancen zu lernen, geduldig zu werden. Zählt doch in unserer Gesellschaft vor allem das „Multitasking“, also mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, was dann dazu führt, dass man sich nicht mehr auf etwas wirklich konzentrieren kann. Wer geduldig warten kann, lernt hingegen, sich einer Sache wirklich zu widmen, was schließlich sogar verhindert, in den Strudel des „Burn out“ zu geraten.

 

Alleinsein und Müßiggang

 

Neben der Geduld ist es auch hilfreich, bereits in gesunden Tagen das Alleinsein zu lernen. Alleinsein ist etwas anderes als Einsamkeit. Während die Einsamkeit zumeist ihre Ursache in einem mangelnden Selbstwertgefühl hat, weil ich Menschen um mich brauche, die mich bestätigen und aufbauen, geht es beim Alleinsein darum, die inneren Quellen und Schätze zu entdecken – ähnlich wie es das Jesuswort ausdrückt: „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen.“ (Mt 6, 19f). Ganz konkret gab Kreitmeir die Empfehlung, Orte zu suchen, an denen ich zur Ruhe kommen kann – und die kein anderer kennt.

 

Als vollkommen falsch bezeichnete der Referent auch das Sprichwort „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ ab. Er verwies darauf, dass gerade Künstlern die kreativsten Ideen kommen, wenn sie offensichtlich nichts tun: „Nichtstun ist eine Tugend, die wir brauchen, um den Weg nach innen zu finden.“

 

Beispielgebend: die heilige Anna Schäffer

 

Eine hilfreiche Präventionsmaßnahme, um zu lernen, gut mit Leid und Krankheit klarzukommen, sei auch der Blick auf Menschen, die selbst Leiden bewundernswert bewältigen konnten. So zum Beispiel die heilige Anna Schäffer von Mindelstetten, nicht weit von Ingolstadt entfernt. Als junge Frau war sie in einen Waschkessel mit kochendem Wasser gefallen und erlitt dadurch massive Verbrennungen, von denen sie sich nie wieder erholte. So war sie bis zu ihrem Tod bettlägerig und hatte neben den massiven Schmerzen auch mit großer finanzieller Armut zu kämpfen. Trotzdem verzweifelte Anna Schäffer nicht, sondern wurde sogar für viele andere, die Not litten, eine tröstende und ermutigende Begleiterin. Sie hatte in ihrem Leiden einen Sinn gefunden, und dabei war ihr der leidende Christus ein wichtiger Begleiter. Sie wusste darum, dass er ihr Leiden mitträgt, und so vermochte auch sie das Leiden anderer mitzutragen. Negativen Gedanken, die Leid und Krankheit mit sich bringen, konnte sie ein positives Gottvertrauen entgegenstellen.

 

Krankheit ist aber nicht nur die Erfahrung von Begrenztheit, Hilflosigkeit und Schmerzen, sie führt uns auch unsere Sterblichkeit vor Augen. Der Erfahrung von Trostlosigkeit steht die Hoffnung entgegen, dass uns der Himmel erwartet, wo wir auch unsere Lieben wiedersehen. Der christliche Glauben, der auch Anna Schäffer auf ihrem ganz persönlichen Kreuzweg weitergeholfen hat, sagt: Gott ist die Liebe und Jesu Auferstehung zeigt, dass die Liebe stärker ist als der Tod.

 

Die Impulse von Christoph Kreitmeir halfen, dem Leben eine größere Tiefe zu geben und luden zum Weiterdenken ein. Wer mehr zum Thema wissen will, dem seien die beiden Bücher des Referenten empfohlen, die auch Grundlage dieses Vortrags waren: „Der Seele eine Heimat geben“ sowie „Die Hoffnung hilft auf – Den Kreuzweg der Kranken beten nach der hl. Anna Schäffer“.