Der nachdenkliche Franziskaner


Pater Christoph Kreitmeir spricht über seinen Lebensweg und sein Bestreben, Menschen Hilfestellung fürs tägliche Leben zu geben.

Vierzehnheiligen —Mit 22 Jahren trat er in den Franziskanerorden ein –Christoph Kreitmeir. Wenn man ihn nach den Gründen für diesen Schritt befragt, lächelt Pater Christoph ein wenig, spricht dann von einigen Umwegen, die letztlich zum Eintritt in den Orden geführt hätten. Zuallererst war da die Familie, eine gut katholische, in die er als sechstes von neun Kindern hineingeboren wurde. Seine Eltern erlebte er als Geschenk, die ihm den Grundstock für eine katholisch-christliche Religiosität quasi in die Wiege gelegt hatten. Und er erlebte viel Liebe. „Mit einer Kindheit voll Liebe kann man ein halbes Leben hindurch die kalte Welt aushalten“, so seine Erfahrung. Mit 17 Jahren hatte er einen schweren Fahrradunfall, lag fünf Tage im Koma. Ein Erlebnis, dessen Überleben ihn erstmals die tiefere Sinnfrage stellen ließ. Der bis dahin lebenslustige Christoph, der sich von seinen gleichaltrigen Freunden kaum unterschied, wurde ernsthafter. Begann nach dem für ihn richtigen Weg zu suchen. Nach Realschule und Fachabitur, dem ursprünglichen Wunsch Ingenieur werden zu wollen, einer Zeit als Fabrikarbeiter, trat er 1984 in Bad Tölz in den Franziskanerorden ein. Wurde kein Ingenieur, sondern studierte Sozialpädagogik und Theologie. Wollte Solidarität mit den Menschen am Rande der Gesellschaft üben. Als Franziskaner konnte er das. Arbeitete mit Nichtsesshaften und Flüchtlingen in München, als Diakon 1995 in der Pfarrei St. Ludwig in der Nürnberger Südstadt im Arbeitermilieu. Ein Jahr später wird er zum Priester geweiht. Er konzentriert sich neben der üblichen Arbeit in der Pfarrei auf die Begleitung von Ratsuchenden und Trauernden.

Therapeutische Zusatzausbildung

 

Zusammen mit einem Team entwickelt er Trauerkreise für die Hinterbliebenen, kümmert sich um die Armen der Pfarrei und bildet sich weiter. Vervollständigt mangels vernünftiger Werkzeuge in der Pastoral seine Ausbildung in psychologischer Richtung. Es folgen Stationen als Kur- und Krankenhausseelsorger im Allgäu und in Bad Tölz, ehe er im Jahr 2005 im fränkischen landet. Da hat der vielseitig ausgebildete Franziskaner schon erste Vorträge gehalten. Konzentriert sich neben seiner Tätigkeit als Hausökonom und Leiter des Wallfahrtsbüros in Vierzehnheiligen auf psycho-spirituelle Lebensberatung. Wer Probleme hat, kann zu ihm kommen. Die Beratung erfolgt auf Spendenbasis. Das Geld wird für soziale Projekte verwendet.

 

Pater Christoph hat inzwischen vier Bücher veröffentlicht. In einembeschäftigt er sich mit der Kraft der Gedanken. Das Thema reizte ihn, weil sich damit heutzutage alle möglichen Leute beschäftigen. Neurologen wie Mediziner, Psychologen und Psychiater, Philosophen und immer mehr Esoteriker. Christliche Überlegungen kamen dem Franziskaner dabei stets zu kurz. Statt dessen viel Verwirrendes, ein unterschwelliger Transport von Weltanschauungen.

 

Christliche Spiritualität

 

Dabei sind es gerade die Gedanken und deren Kraft, die Wesentliches zum Charakter und der Persönlichkeit eines Menschen beitragen. Pater Christophs kritischer Ansatz: Viele Menschen lassen heute andere für sich denken. Früher selbstverständliches Allgemeinwissen verschwindet. Deshalb gelte es Ausschau zu halten nach tragfähigen Hilfen, die mit christlicher Weltanschauung und Religiosität

kompatibel sind. Türöffner quasi zu einer christlichen Spiritualität. „Eine geerdete und menschennahe christliche Spiritualität will wieder neu entdeckt und gelebt werden“, heißt es im Vorwort zu seinem Buch. Und er gibt zu: Die psychospirituelle Beratung der Menschen beeinflusst den Seelsorger selbst. Sein Denken und Tun, sein Fühlen, Beten und auch die Predigten. Kopf und Bauch, all das verbindet sich im Herzen, so Pater Christoph. „Herzensbildung“, das ist es, worauf es ihm ankommt. Das Denken dürfe sich nicht nur rein kopfgesteuert abspielen, das Gefühl gehöre unbedingt dazu. Erst diese Kombination führe zu einer geerdeten und menschennahen christlichen Spiritualität, wie sie auch ein heiliger Franz von Assisi mit seiner Schöpfungsnähe und frohen Gottesliebe vorlebte.

 

"Die psychisch angeschlagenen Menschen sind

die Armen von heute."

 

Für Pater Christoph ein ganz wichtiger Punkt. Deswegen sei er Franziskaner geworden, und deswegen beschäftigt er sich in seinen Vorträgen und Publikationen mit diesem Thema. Letztlich gehe es darum, diese christliche Lebensweise in einer modernen Welt zu leben. Nach elf Jahren Arbeit in Vierzehnheiligen, dem drittgrößten deutschen Wallfahrtsort, wartet auf den 54-Jährigen eine neue Herausforderung. Der nachdenkliche aber auch fröhliche Franziskaner wird im Oktober im Kloster Frauenberg in Fulda erwartet. Die Franziskaner reorganisieren ihre dortige Niederlassung komplett, reduzieren die Zahl der Ordensmitglieder von derzeit noch 25 auf zehn. Aufgabe der neu aufgestellten Franziskanergemeinschaft wird es sein, in Fulda ein spirituelles Zentrum aufzubauen. Eine Aufgabe, für die Pater Christoph sicher der richtige Mann sein dürfte.

 

Seine Publikations- und Vortragstätigkeit wird er im Übrigen auch an seiner neuen Wirkungsstätte aufrecht erhalten. Mit einer Einschränkung: Der Vortragsort darf nicht länger als zwei bis drei Stunden Autofahrt von seinem Kloster entfernt sein. Auswärts übernachten möchte er nicht. Aber: Ausnahmen werden gemacht.

Text: Klaus Angerstein; Foto: Matthias Hoch, Fränkischer Tag