Die Klinikseelsorge ist herausfordernd


Heinrichsblatt-Interview mit Christoph Kreitmeir

– früher Vierzehnheiligen – heute Ingolstadt

Fast 12 Jahre war Christoph Kreitmeir als Franziskaner im Kloster Vierzehnheiligen tätig. Nur wenige Monate nach seiner Versetzung entschied er sich den Orden zu verlassen. Das Heinrichsblatt hat mit ihm über seine Vergangenheit, aber auch über seine Zukunftspläne gesprochen.


Christoph Kreitmeir in der Kapelle des Klinikums Ingolstadt
Christoph Kreitmeir in der Kapelle des Klinikums Ingolstadt

An was denken Sie besonders gerne zurück, wenn Sie an Ihre Zeit in Vierzehnheiligen

denken?

 

Kreitmeir: Da gibt es sehr viel. Vor allem denke ich an Freundschaften zurück, die ich im Laufe der Zeit aufbauen konnte und viele davon hoffentlich auch weiterhin pflegen kann. Auch an meine vielfältige Arbeit am Obermain erinnere ich mich zurück. Sie war fordernd, aber auch erfüllend. Ich konnte in Vierzehnheiligen wirklich einiges bewegen

und auch neue Fähigkeiten, wie das Halten von Vorträgen, das Schreiben von Büchern und die zahlreiche Begleitung von  Ratsuchenden, entwickeln. Auch meine technischen Fähigkeiten im Umgang mit Internet und Computer baute ich dort aus. Oberfranken mit seiner Lebensqualität,

seiner schönen Landschaft und seinen bodenständigen Menschen vermisse ich. Ich werde immer wieder hierher zum Beispiel im Urlaub zurückkehren. Es ist wirklich ein

„Gottesgarten“, wo ich fast zwölf Jahre leben und arbeiten durfte.

Was hat sich seit dem Weggang aus Vierzehnheiligen in Ihrem Leben getan?

 

Kreitmeir: Sehr viel – mein Leben hat sich äußerlich sehr verändert. Innerlich bin ich der gleiche geblieben. Von September 2016 bis Mitte Februar 2017 war ich im Franziskanerkloster Frauenberg in Fulda, dann bis Ende Juni in Bamberg und arbeite nun in der Klinikseelsorge am Klinikum Ingolstadt als Priester und Seelsorger. Fulda war wichtig – dort entschied ich mich, mein bisheriges Leben als Franziskaner zu ändern.

 

Bamberg war wichtig – dort konnte ich innerlich Abschied nehmen von meiner bisherigen Lebensform, mich neu sortieren

und dann meine Zukunft in der Diözese Eichstätt planen. In Ingolstadt erlebe ich nun zwar eine schwere, aber sehr sinnvolle Beschäftigung als Priester in der Krankenhausseelsorge von der Wiege bis zur Bahre. Was mich sehr freut ist, dass der priesterliche Dienst hier noch gesucht und geschätzt wird. Meine anderen Qualifikationen werde ich wohl im Laufe der Zeit auch einsetzen können. Äußerlich trage ich die Franziskanerkutte nicht mehr, gehöre

rechtlich dem Orden mindestens noch drei Jahre an und möchte auf längere Sicht Priester in der Diözese Eichstätt bleiben.

Christoph Kreitmeir

Wie kam es dazu, dass Sie nach über 30-jähriger Zugehörigkeit zu den Franziskanern den Orden verlassen haben?

 

Kreitmeir: Einige Gründe sind sehr privat – ich will sie deshalb hier nicht erwähnen. Ich spürte immer mehr, dass Bayern doch meine Heimat ist und ich mich in Hessen (Fulda) fremd fühlte, auch wenn ich dort viele gute Menschen in der kurzen Zeit kennenlernen durfte. Ich erlebte innerlich eine Infragestellung des Lebens im Kloster, die immer dringlicher wurde und zu dieser Entscheidung führte, eine andere Form des priesterlichen

Dienstes zu wählen. Und ich wollte zurück in meine Heimatdiözese, dort, wo ich in überschaubaren Grenzen für Gott und die Menschen arbeiten kann. Als ich in den  Franziskanerorden 1984 eingetreten war, waren die Einsatzbereiche auf Bayern in der bayerischen Franziskanerprovinz umrissen. Seit 2010 sind wir eine gesamtdeutsche

Provinz und können in jedes Bundesland versetzt werden. Es gibt Planungen, sich mit der niederländischen Provinz zusammenzuschließen und das werden nicht die letzten Entwicklungen in dieser Art sein. Das „Pilger und Fremdling-Sein“ des Franziskaners bekam

ich deutlich zu spüren und je älter ich werde, desto weniger möchte ich dies: ein paar Jahre

hier, ein paar Jahre dort ... Ich will Wurzeln schlagen und heimisch werden. Freundschaftliche Beziehungen zu guten Menschen leiden unter dem Hin-und-Her-Versetzt-werden. Das wurde mir bei meiner zehnten Versetzung in 33 Ordensjahren unter anderem auch sehr schmerzlich bewusst...

 

Wie hat sich Ihr Leben seither verändert?

 

Kreitmeir: Sehr! Ich wohne nicht mehr in einer Klostergemeinschaft, sondern bin nun Mieter

einer schönen Dienstwohnung in der Nähe des Ingolstädter Klinikums. Ich habe handwerkliche Fähigkeiten entwickelt, bin Hausmann, koche mein Essen selbst... Alles, was zu einem ganz normalen Leben so dazu gehört. Ich bin auch kritischer bestimmten Einstellungen gegenüber geworden: Demut, Gehorsam, Armut. Nach und nach versuche ich, mein Leben selbstverantwortlich zu meistern und werde darin hin und wieder auch von guten Freunden unterstützt. Mein Gehalt bekommt nach wie vor der Orden, ich verfüge aber

nun über ein Lebensunterhaltsgeld – ganz normal wie jeder andere Mensch.

 

Hilfreich war und ist für mich, dass ich schon während meines Klosterlebens immer darauf geachtet hatte, selbständig und lebensfit zu bleiben und dabei verantwortliche Aufgaben, wie Ökonom oder in der Verwaltung zu übernehmen. Das ist nun recht hilfreich für mich in der Selbständigkeit. Das Ordensleben hat viele gute Qualitäten und es nimmt dir viel am täglichen Einerlei ab. Das vermisse ich nun schon ein wenig. Der Mehrwert „Freiheit“ und die Eigenverantwortlichkeit wiegen das aber auf.

Was waren für Sie die Gründe, als Klinikseelsorger nach Ingolstadt zu gehen?

 

Kreitmeir: Die Gespräche mit dem Hauptverantwortlichen der Personalkammer der Diözese Eichstätt zeigten mir, dass ich in all den Ordensjahren vor allem in der Kategorialseelsorge, also einer Spezialseelsorge außerhalb der Pfarrarbeit gearbeitet hatte. Ich war Kaplan, Pfarradministrator, Kurseelsorger, Klinikseelsorger (schon zweimal) und Wallfahrtsseelsorger. Die Diözese Eichstätt verfügt über wenige Gebiete der Kategorialseelsorge und so war es ein guter Umstand – ich kam genau rechtzeitig – , dass mein Vorgänger in der Klinikseelsorge in Ingolstadt nach acht Jahren eine Veränderung suchte. Mir wurde dieses Arbeitsfeld vorgeschlagen, ich wusste ungefähr, was da auf mich zukommen wird und so griff ich zu. Ich glaube, dass da auch eine „höhere Fügung“ am Werk war...

 

Was ist das Besondere für Sie an der Krankenhausseelsorge?

 

Kreitmeir: Das Besondere daran ist meiner Meinung nach, dass du mit Haut und Haaren dem

prallen Leben als Priester und Mensch ausgesetzt bist. Das Leben zeigt sich oft auch in seiner

Härte und ohne Schminke. Der Patient, der leidende Mensch wird auf sich selbst zurückgeworfen und auf grundsätzliche Fragen des/seines Lebens. Als Mensch und Priester bist du dann echt gefordert. Du musst authentisch sein – also echt –, denn alle Masken und auch alle Oberflächlichkeiten fallen im Einsatz eines Klinikalltags. Die Ärzte und Schwestern schätzen ein echtes Engagement als Seelsorger und Priester – es nimmt ihnen einiges ab.

Die Kranken spüren, wenn du sie magst. Sie schätzen ein gutes Gespräch, unterstützende Hilfe in vielen Alltagsfragen und vor allem auch die Begegnung mit den Sakramenten, die der Priester spenden kann: Beichte, Krankensalbung und Eucharistie. Eine solide Predigt und eine Teamfähigkeit mit allen Sparten im Krankenhaus und auch zu den Kolleginnen (zwei Pfarrerinnen) von der evangelischen Kirche tun ein Übriges.

 

In der kath. Seelsorge sind wir ein Team von Laien und Priestern. Ein Pastoralreferent, der nun schon 22 Jahre hier Dienst tut, wurde in Absprache mit mir zum Teamleiter ernannt. Ich selbst arbeite zu 100 Prozent am Klinikum und bin sehr eingespannt. Ich habe jedes Wochenende Dienst. Das kann sehr anstrengend werden, vor allem wenn der Tod an einem Wochenende viele Sterbende heimholt. Wichtig ist nämlich nicht nur der sakramentale Dienst an den Sterbenden, sondern auch der Dienst des Trostes für die Angehörigen. Schon jetzt merke ich, dass da sehr viel auf mich zukommen wird, ich bin aber guter Dinge, dass es mir immer wieder gelingen wird.

 

Gibt es neue Buch- oder Internetprojekte, an denen Sie arbeiten?

 

Kreitmeir: Diese Frage freut mich! An meiner Homepage kann ich derzeit wenig arbeiten, da ich einerseits noch keine gute Internetverbindung in meiner Wohnung und wenig Zeit dafür habe. Wenn ich an Vierzehnheiligen zurückdenke: dort hat es auch über fünf Jahre Kampf und Einsatz gekostet, bis wir dann ein schnelles Internet bekamen. Hier werde ich auch nicht locker lassen. Und dann kann ich über meine Homepage www.christoph-kreitmeir.de wieder Seelennahrung verbreiten.

 

In der Tat will ich mich im Herbst, Winter und Frühjahr in Absprache mit dem Gütersloher

Verlagshaus an ein neues Buchprojekt wagen. Mein Advents- und Weihnachtsbuch des vergangenen Jahres „Zeit für mich – Zeit für Gott“ wird in der zweiten und höheren Auflage erscheinen. Mein Buch „Glaube an die Kraft der Gedanken“ bald in fünfter Auflage.

 

So viel kann ich jetzt schon zum neuen Buchprojekt sagen: Es ist ein Büchlein von 100 Seiten

geplant als eine Art „Nachttischbuch für Zweifler und Nachdenkliche“. Es soll ein hilfreiches Buch für Suchende im Bereich zwischen Spiritualität und Lebenshilfe werden. An meinen freien Tagen – ich habe eineinhalb Tage in der Woche frei – will ich auch bald in den Grenzen der Diözese Eichstätt wieder Vorträge halten. Ich bin hierzu schon in zielführenden Gesprächen. Nach Oberfranken komme ich im Herbst und Winter auch nochmals zu schon länger geplanten Vorträgen, kann aber auch in Zukunft gerne dazu eingeladen werden. Denn: Oberfranken ist meine seelische Heimat geworden, viel mehr als alle anderen Orte, wo ich bisher gewesen bin.

 


Das Interview führte Andreas Kuschbert, erschienen im Heinrichsblatt, Ausgabe 40/2017

Bilder: Privat