Predigt am 5. Fastensonntag, Lj. A – 2017

(Lesung: Ez 37, 12b-14; Evangelium: Joh 11, 1-45)    


Früher oder später trifft es uns alle: ein Mensch aus unserer Umgebung stirbt und wir müssen uns mit der Tatsache des Todes, des Verlustes, der Trauer und des „Irgendwieweiter“ auseinandersetzen.

Je nachdem, wie nahe uns der Verstorbene gestanden ist, desto mehr trifft es uns ... und es tut richtig weh ...

 

Diesen Schmerz brachte auf moderne Weise Herbert Grönemeyer nach dem Tod seiner Frau in dem Song „Der Weg“ in Ton und Wort. Noch nach Jahren – das Lied wurde 2002 veröffentlicht –  spürt der Zuhörer die gewaltige Wucht der Gefühle, die in der Seele des Trauernden Achterbahn fahren.

 

„Ich kann nicht mehr seh'n

Trau nicht mehr meinen Augen

Kann kaum noch glauben

Gefühle haben sich gedreht

Ich bin viel zu träge

Um aufzugeben

Es wär' auch zu früh

Weil immer was geht

 

Wir waren verschwor'n

Wär'n füreinander gestorben

Haben den Regen gebogen

Uns Vertrauen gelieh'n

Wir haben versucht

Auf der Schussfahrt zu wenden

Nichts war zu spät

Aber vieles zu früh“

 

Der Tot von geliebten Menschen ist immer zu früh, das mussten auch die Freunde von Jesus, Marta, Maria und Lazarus erfahren.

Lazarus war schwer krank, Jesus machte sich mit seinen Jüngern auf den Weg zu ihm ... und dann kam die Botschaft, dass er schon 4 Tage im Grab lag. Jesus war zu spät gekommen – der Tod von geliebten Menschen ist immer zu früh.

 

Und nun spitzt sich die Szene zu, eine Szene, die so unglaublich klingt und doch eine Auferstehungsgeschichte mitten im Leben ist: Jesus betet, sein Herz ist tiefbewegt, er lässt das Grab öffnen, Verwesungsgestank schlägt ihm und all den Trauernden und Schaulustigen entgegen und ... Jesus spricht das befreiende Wort: „Lazarus, komm heraus!“

 

Der Tote steht auf, tritt aus der Dunkelheit ins Licht und wird zum Neugeborenen. Lazarus wird zum doppelten Beweis für die Sendung Jesu:

Jesu Liebe erweckt Tote zum Leben UND die Totenerweckung des Freundes ist eine Vorwegnahme seiner eigenen Auferstehung.

 

Jesus wusste von seiner Sendung, er wusste, was auf ihn zukam, er wusste von seinem Ende und er hoffte auf die Hilfe seines Vaters im Himmel, die stärker als der Tod war, ist und bleiben wird.

 

Die Auferweckung des Lazarus war das letzte große Wunder Jesu vor seiner Leidensgeschichte. Sie – und das ist das Unglaubliche – war das ausschlaggebende Tüpfelchen auf dem I, dass der Hohe Rat der Juden beschloss, Jesus zu beseitigen, weil er alles durcheinanderbrachte.

 

„Du hast jeden Raum

Mit Sonne geflutet

Hast jeden Verdruss

Ins Gegenteil verkehrt

 

Nordisch nobel

Deine sanftmütige Güte

Dein unbändiger Stolz

Das Leben ist nicht fair“

 

Nein, das Leben ist nicht fair, aber wir können dem Leben trotzen. Wenn wir einen Sinn im Leben haben, wenn wir Liebe leben, wenn Glaube unser Sein immer wieder neu mit Licht durchflutet, dann können wir das Leben nicht nur meistern. Wir sind dann auch dazu fähig, aufrichtig um einen Menschen zu trauern, der uns entrissen wurde.

 

Eine mir gute Bekannte trauert seit zwei Jahren um ihren geliebten Mann Bernhard. Er trotzte in der DDR als gläubiger Katholik allen Repressalien, arbeitete sich gegen alle Widerstände zum Schmiedeinnungsobermeister hoch, wurde ausgespitzelt und gab nie auf. Seine nun fertiggestellte Grabstätte gibt Zeugnis von seinem Glauben, seiner Liebe und seiner Hoffnung ... und dem Glauben, der Liebe und der Hoffnung seiner Frau, deren Trauer sich in Lebensfreude gewandelt hat.

 

Sie schrieb mir vor kurzem folgende Zeilen: „Bernhards Grab hat bis auf die Stahlstelen, die auch noch genehmigt werden müssen, Gestalt angenommen. Wir sind froh, dass diese Individualität, die Bernhard entsprechen soll, trotz Widerstand gelungen ist. Meine Tränen nehmen ab, denn ich bin in der Familie geborgen, war eine Woche im Süden und konnte den Frühling genießen und will mein Leben mit viel Sinn erfüllen. Werde meinen 70. Geburtstag mit der Familie und 25 Frauen feiern, die mein Leben begleitet haben.“

 

„Dem Auge fern – dem Herzen nah“ – so steht es auf Bernhards Grab.

„Dem Auge fern – dem Herzen nah“, so geht es dem, der an Jesus Christus mit vertrauender Liebe glaubt.

Jesu Liebe erweckt Tote zum Leben ... auf wunderbare Weise auch heute noch.