Predigt am 2. Fastensonntag, Lj. A – 2017

(Lesung: Gen 12, 1-4a; Evangelium: Mt 17, 1-9)


In der Lesung erging Gottes Wort an Abram, Vertrautes zurück zu lassen und aus seinem Land wegzuziehen. Abram zog weg, wie der Herr ihm gesagt hatte ... und wurde im Laufe der Zeit zu Abraham, dem Vater vieler Völker.

 

Im heutigen Evangelium nimmt Jesus seine Jünger beiseite, er führt sie weg aus Vertrautem und begleitet sie auf einem Berg. Dort geschieht Wunderbares vor ihren Augen: Jesus wird in hellstes Licht getaucht, er wird gleichsam selbst zum Licht und Gottes Wort bestätigt ihn als den geliebten Sohn.

 

Wegziehen, Vertrautes aufgeben, Vertrauen lernen, Berge erklimmen, Überblick gewinnen, Gipfelerfahrungen machen ... und bei all dem verändert werden.

 

Im Erleben jedes Menschen kann es besondere Erfahrungen geben, welche die Psychologie „peak experiences“ (Gipfelerlebnisse) nennt. Vor allem Abraham Maslow entdeckte bei diesen besonderen Lebenshöhepunkten, die oft nur kurz anhalten, alle Menschen verbindende Charakteristika: Sie weiten das Ego und sind sinngebend. Sie wirken heilend-therapeutisch und bewirken eine Zunahme von Selbstbestimmtheit, Kreativität, Einfühlsamkeit und Zugehörigkeit.

 

Solche „Gipfelerlebnisse“ können rein menschlicher, sie können aber auch religiös-spiritueller Natur sein. „Ganz Normales“, wie ein Sonnenaufgang oder –untergang, ein anderes Naturerlebnis, ein besonderes Glückserlebnis oder eine tiefe meditativ-spirituell-mystische Erfahrung, all das kann für den einen bedeutungslos, für den anderen etwas ganz Besonderes sein. Solche besonderen äußeren und inneren Erfahrungen wird man nie mehr vergessen, sie hinterlassen einen Nachhall, ein Echo in unserer Seele ... Dieses Echo kann vor allem in Zeiten der Stille immer wieder nach-empfunden werden.

 

Der irische Philosoph, Priester und Dichter John O´Donohue beschreibt dies sehr schön in seinem Buch „Echo der Seele. Von der Sehnsucht nach Geborgenheit“. Ich will hier gerne eine Kostprobe geben:

 

„Ich erinnere mich, wie ich als Kind das Echo entdeckte. Es war, als mein Vater mich zum ersten Mal zum Viehhüten in die Berge mitnahm. Als wir an einer Kalksteinklippe vorbeikamen, rief er nach dem Vieh, das sich in einiger Entfernung von uns befand. Sein Ruf war kaum verklungen, als er vom Stein exakt nachgebildet und wieder zurückgeworfen wurde. Es war eine faszinierende Entdeckung. Ich probierte es selbst aus, und jedes Mal warf das Echo meine Stimme unverändert zurück. Es war so, als ob die massiven Kalksteinberge mit geheimen Gehörsinn und Stimme ausgestattet seien. Ihre natürliche Reglosigkeit und Stille brachen unvermittelt in eine exakte Nachahmung der menschlichen Stimme aus, die darauf hindeutete, dass in den Tiefen des Schweigens ein mitschwingendes Herz ruht ...

In der Einsamkeit der Berge unser Echo zu vernehmen lässt uns erahnen, dass wir nicht allein sind. ... Wir leben in einer Welt, die auf unsere Sehnsucht anspricht; sie ist ein Ort, wo die Echos stets, wenn auch bisweilen langsam, zu einem zurückkehren. ...

Der Hunger nach Zugehörigkeit ist das Herz unseres Wesens. ... Das Gefühl der Zugehörigkeit ist das natürliche Gleichgewicht unseres Lebens.“ (6. Auflage 2008, S. 9)

 

All das umschreibt auch die Geschichte der Verklärung Jesu auf dem Berg. Seine Jünger waren nach diesem „Gipfelerlebnis“ nicht nur erstaunt, erschrocken und voller Angst, sondern sie werden das Erlebte nie mehr vergessen haben. Erst nach der Auferstehung Jesu ist es ihnen wohl erst ganz aufgegangen, was sie da erlebt hatten. Dieses Gipfelerlebnis hat sie im Laufe ihres Lebens verändert, es kam immer wieder wie ein Echo in ihre Seele zurück und erhellte diese in dunklen Zeiten.

Dieses Gipfelerlebnis erinnerte die Jünger immer wieder an ihre Zugehörigkeit zu IHM, zu ihrem „Licht der Seele“.

Dieses Gipfelerlebnis war wie die Vorwegnahme von Ostern ...

 

Wir sind am Anfang der Fastenzeit. Diese besondere Zeit will uns mit Ebenen in Verbindung bringen, die unser normales Alltagsleben übersteigen. Sie will unseren Erfahrungshorizont weiten, damit wir uns immer wieder – in guten und in schweren Tagen – an das Licht in unserem Leben erinnern, das uns immer begleitet und uns an unsere Zugehörigkeit zu Jesus Christus erinnert: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.“

(Mt 17, 5)

 

 

 

Jesus, schenk' deine Taborstunde allen, die Leben suchen.

Lass sie erkennen:

Du bist das Licht, das wirklich leuchtet, das Leben zur Entfaltung bringt.

Auch ich bin manchmal ängstlich, schwach und schweige lieber,

wenn die Wölfe heulen. Wie manches Mal versage ich:

Die Zeit für das Gebet wird mir zu lang,

oft teile ich die Tagesstunden schlecht mir ein.

Die vielen Pflichten zerren hier und dort an mir,

so übersehe ich die Not des Bettlers vor der Tür.

Auch wer mich bettelt um den verständnisvollen Blick, das gute Wort, erhält nicht immer, was er braucht.

Und - habe ich genug für mich gesorgt,

den Leib gekräftigt, dass er mir erhalten bleibt zum Werk,

die Seele froh gemacht mit schönem Tun,

dass ich mit Freude deine Botschaft künden kann?

Auch ich brauch deine Taborstunde, Herr.

Ich brauche dich als wahres Licht.

 

 Martin Birk