Predigt am 1. Fastensonntag, Lj. A – 2017


Fasten ist wieder in. Ein Blick in die Zeitschriftenangebote zwischen Winter und Frühjahr zeigt dies: DER SPIEGEL WISSEN – Das Magazin für ein besseres Leben bietet seit Februar 2017 ein ganzes Heft zum Thema „Richtig und gut essen“. Der FOCUS gibt seit Februar 2017 „Die Heilkraft des Verzichts – Richtig fasten. Von Buchinger bis Intervallfasten – alle Methoden, alle Adressen“ Tipps für ein gesundes Leben. Und der STERN stellt Anfang März die Frage nach der „Formel für ein langes Leben“.

 

Viele Menschen suchen und finden heilsame Wege zu „einem besseren Leben“ heute wieder. Nicht wenige wenden sich der „Heilkraft des Verzichts“ deshalb zu, weil seelische Überbelastung, wie zum Beispiel Burnout, oder körperliche Krankheiten, wie zum Beispiel Diabetes, sie dazu gleichsam „zwingen“. Das Verzichten, das Fasten birgt aber auch spirituelle Schätze in sich, die wieder neu entdeckt werden wollen.

 

Die Kirche bietet uns mit der 40-tägigen Fastenzeit eine besondere Zeit, neu zu sich und zu Gott zu kommen. Dabei sind Fasten, Gebet und das Erkennen seiner eigenen Grenzen Hilfen, um seinem Leben eine neue, sinnvolle und befreiende Orientierung zu geben.

 

Wie mit einem Paukenschlag zeigt das heutige Evangelium, dessen Wortlaut ich hier einfüge, wie Jesus nach 40 Tagen und Nächten in der Wüste entscheidende Versuchungen durchmachen musste.

 

MATTÄUS 4,1-11

 

In jener Zeit wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er 40 Tage und 40 Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger.

 

Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird“. Er aber antwortete: „In der Schrift heißt es, der Mensch lebt nicht nur vom Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“.

 

Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: „Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“. Jesus antwortete ihm: „In der Schrift heißt es auch, du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen“.

 

Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: „Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest“. 

 

Da sagte Jesus zu ihm: „Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“.

Darauf ließ der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm.

 

Fasten ist wieder in. Der religiös-spirituelle Hintergrund dabei wird aber beim hauptsächlichen Blick auf die Gesundheit meist übersehen. Mir sind Sichtweisen wichtig, die den Menschen als ganzen sehen: gesundheitliche, seelische und christlich-spirituelle Aspekte.

 

Die entscheidenden Versuchungen Jesu in der Wüste betrafen das ganze Menschsein:

 

  • Die erste Versuchung betrifft existentielle Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken. Es geht um die tiefer liegende Frage, was uns nährt und wovon wir wirklich leben.
  • In der zweiten Versuchung geht es um geistig-geistliche Grundbedürfnisse und hier vor allem um das Gottvertrauen.
  • Die dritte Versuchung tangiert die psychischen Grundbedürfnisse. Es geht um Macht und Ehre, um Prestige. Wer bin ich?

 

Wer fastet, kommt in Kontakt mit seinen Urfragen, seinen Beschränkungen, seinen eingeschliffenen Verhaltens- , Denk- und Fühlweisen. Er wird sich bedürftig erleben. Das oft so Selbstverständliche wie Essen, Trinken, sicherer Wohnraum, Kraft und Energie werden als wertvolle Geschenke erlebt.

 

Wer fastet, kommt mit tieferen Quellen der Seele und der Geistigkeit in Berührung. Für die einen sind diese Quellen rein humanistischer Art, für andere zeigt sich ein spiritueller Hintergrund. In allen Religionen spielt das Fasten eine wichtige Rolle.

 

Fasten lässt in uns die Sehnsucht nach Mehr neu aufleben, Träume werden lebendig und bringen uns in Kontakt mit unseren Schattenseiten. Verdrängtes, Verstecktes, Ungewolltes kommt aus der Deckung hervor, will beachtet und integriert werden.

 

Für Christen gilt das Beispiel Jesu, wie er mit den Bedürfnissen des Alltages umging, wie er fastete, wie er betete. Wir Christen sehen in Jesus Christus Gottes Sohn. Gott bringt seinen Sohn in der Wüste an die Grenzen der Belastbarkeit. Sein Festhalten am Eigentlichen und wirklich Lebenswichtigen durch alle Versuchungen hindurch gibt uns Hoffnung und Mut für unser Leben.

Jesus zeigt uns das Land der Freiheit, das durch Wüstenzeiten hindurch entdeckt, errungen werden will, das uns aber auch geschenkt wird. Jesus ist entschieden in seinem Tun, er weist den Satan, den „Schattenbruder unserer Seele“ in seine Schranken ... „und dieser ließ von ihm ab und es kamen Engel und dienten ihm“.

 

Wer Jesus glaubt, wer an Jesus glaubt, der erfährt den „Lichtbruder an seiner Seite“, der ihm den Weg zu innerer und äußerer Freiheit zeigt. Jesus macht uns den Weg frei zu uns selbst, zu größerer Menschlichkeit, zu ihm, zu Gott. Wer auf Jesus vertrauen lernt in den Licht- und Schattenseiten des Lebens, der wird das große Vertrauen ins Leben, der wird Gottvertrauen lernen. Er wird die echte „Freiheit eines Christenmenschen“ entdecken und leben können.

 

Fastenzeit ist nicht die Zeit der Trübsal,

sondern eine Einladung, intensiver, bewusster, erfüllter zu leben -

Gespräche, die nicht an der Oberfläche bleiben,

Gespräche, bei denen uns etwas aufgeht,

bei denen wir nicht nur um uns selber kreisen,

sondern zu uns selber finden, Fragen an uns heranlassen:

 

Woraus stille ich meinen Durst? Was gibt mir Kraft und Orientierung?

Was sind die Ursachen für meine Traurigkeit, Unzufriedenheit, Unausgeglichenheit?

Nicht erst am Lebensende will ich spüren, dass in uns eine Sehnsucht brennt, die mit materiellem Reichtum, mit der größten Villa,

mit der Bilderbuchkarriere,

mit dem Traummann oder der Traumfrau nicht erfüllt sein kann.

 

Sehnsucht nach einem Sinn des Lebens will ich spüren,

nach Angenommensein, Liebe und Geborgenheit,

wie nur Gott sie schenken kann -

und eine lebendige Beziehung zu ihm, die es uns möglich macht,

Lebensquellen zu entdecken und zu erschließen.      

 

(Maximilian Himmel)