Spiritualität und Sport sind kein Gegensatz!
Interview mit P. Christoph zum 12. Obermainmarathon
Wenn an diesem Sonntag, 10.04.16, beim 12. Obermain-Marathon wieder zahlreiche Athleten die Laufschuhe schnüren, bedeutet das weit mehr als das Abspulen von Kilometern. Jenseits aller
sportlichen Ziele ist Laufen auch eine Philosophie, befreit den Geist vom „Alltagsmüll“. An diesem Samstagnachmittag haben die Teilnehmer des großen Laufsportevents beim ökumenischen
„Marathon-Gottesdienst“ in der Basilika Vierzehnheiligen deshalb die Möglichkeit, sich seelisch darauf einzustimmen.
Unkompliziert und lebensnah spricht Franziskanerpater Christoph Kreitmeir, der zusammen mit Pfarrerin Anne Salzbrenner den ökumenischen Gottesdienst gestalten wird, über den Generationen
verbindenden Wert des Sports. Der 53-Jährige thematisiert die gesellschaftliche Burnout-Problematik, weist auf ein großes Missverständnis hin – und verrät außerdem, wie er selbst fit und
leistungsfähig bleibt.
„Mich freut es, dass der Marathon-Gottesdienst bis heute nicht eingeschlafen ist“, sagt Kreitmeir und nimmt sich trotz vieler Termine gerne wieder die Zeit, um diesen mitzugestalten. Die gute Resonanz, die der nun zum zwölften Mal stattfindende Gottesdienst auch heuer wieder erfahren dürfte, ist ein Beleg dafür, dass die in Vierzehnheiligen gelebte Spiritualität den Menschen aus dem Herzens spricht. So schätzen etwa der 66-jährige Helmut Sirtl aus Reutlingen oder der Erlangener Harald Fischer die spirituelle Erdung mit dem „Marathon-Gottesdienst“ am Vortag der Sportveranstaltung.
Glaube als Hilfe beim Laufen
Verbesserung der Bestzeit, die Top-Athleten wollen aufs Podest – solche sportlichen Ziele gehören dazu und machen den Reiz einer Veranstaltung wie den Obermain-Marathon freilich auch aus. Doch
das ist nicht alles. „Manchen geht es nur um Körperkult, aber für viele bedeutet das Laufen viel mehr“, betont Christoph Kreitmeir. Im Gedächtnis verhaftet geblieben ist ihm eine
Begegnung mit einer heute 49-jährigen Frau, die regelmäßig am Obermain-Marathon teilnimmt. Ihre bewegenden Worte in einem früheren Gespräch mit ihm flocht Kreitmeir in sein Buch „Glaube an die
Kraft der Gedanken“ ein: „Ich gebe mich ganz der Bewegung hin, alles ist rhythmisch. Erst kreisen meine Gedanken noch um die Dinge des Alltags, aber mit jedem Schritt lasse ich die Welt ein
wenig hinter mir.“
Auch der Glaube spielt für diese Frau beim Laufen eine wichtige Rolle, wie ihre weiteren Worte belegen: „Und ich spüre, wie kostbar das Leben ist – auch mein Leben, das Gott mir geschenkt
hat. In diesem Hinwenden an Gott erschließen sich meiner Seele wie meinem Leib neue verborgene Kraftreserven. Darum laufe ich.“
Wer selbst ausgeglichener ist – und dazu trägt Laufen nachgewiesenermaßen bei –, geht außerdem offener und herzlicher auf seine Mitmenschen zu. „Sich um sich selbst kümmern, ist kein
Egoismus“, unterstreicht Kreitmeir vor diesem Hintergrund. So stehe schließlich schon in der Bibel: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Im Gespräch mit dem Franziskanerpater wird schnell deutlich, wie viele positive Nebeneffekte sportliche Betätigung hat – auch in psychischer Hinsicht. Das Laufen lässt einen etwa wieder das
„echte“ Leben bewusst werden – jenseits des unseren Alltag mitunter schon bedrohlich überwuchernden Kommunikationsdschungels. „Warum muss jeder auf Facebook wissen, dass ich gerade eine
Bratwurst esse“, stellt er eine Frage in den Raum, die freilich Suggestivcharakter hat, und rät ohne erhobenen Zeigefinger: „Jeder sollte einfach hin und wieder reflektieren: Wer hat die
Regie? Die Technik über mich oder ich noch über die Technik?“ Um wieder einmal „loszulassen“, sei neben Entspannungsmethoden, Meditation oder auch Gebet der Sport ein gutes Mittel.
Ein Marathonläufer, dem bei Kilometer 30 die Puste ausgeht, tut gut daran, es nun etwas langsamer angehen zu lassen, das Tempo zu verringern. Hier tun sich Parallelen zu unserer
Leistungsgesellschaft auf. Der Begriff „Burnout“ ist jedem bekannt, vielen mittlerweile aus eigener Erfahrung. So mancher begreift den Ernst der Lage aber erst, wenn der Körper auf
Notstromaggregat läuft. Kreitmeirs Ansicht zufolge ist das Leben nur eine Durchgangsstrecke: „Man muss da nicht auf Biegen und Brechen alles reinpacken.“
Oft fällt im Zusammenhang mit dem Sport der Ausdruck „in einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist“. Wenn er diesen Spruch hört, wird der Geistliche geradezu wütend, hebt warnend
den Finger und weist auf einen großen Irrtum im Zuge der heutigen gesellschaftlichen Oberflächlichkeit hin: „Viele kennen gar nicht mehr das zugrunde liegende ursprüngliche Zitat des
römischen Dichters Juvenal. Dieses lautete nämlich folgendermaßen: ,Beten sollte man darum, dass in einem gesunden Körper ein gesunder Geist sei‘.“
Der Satz von Juvenal habe sich also auf den Inhalt von Fürbitten und Gebeten bezogen. Leider werde die Redewendung in der oben genannten verkürzten Form immer wieder falsch interpretiert,
bedauert er. „Im Umkehrschluss würde dies ja bedeuten, dass in kranken oder schwachen Körpern kein gesunder Geist innewohnt“, unterstreicht Kreitmeir die Tragweite dieses verbalen Fouls,
weshalb Behindertenverbände die verkürzte Darstellung der Redewendung verständlicherweise vehement ablehnen. Bekanntermaßen können auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen Großes leisten.
Als herausragendes Beispiel nennt der Pater den Physiker Stephen Hawking: „Er ist zwar körperlich ein gebrochener Mann, doch zugleich ein anerkannter Wissenschaftler.“
Christoph Kreitmeir ist Theologe, aber auch in seiner Tätigkeit als psycho-spiritueller Lebensberater sehr gefragt. Er hält viele Vorträge. Allein in der ersten Jahreshälfte waren es schon 26.
Darüber hinaus wirkt er bei Gottesdiensten mit wie etwa zum Valentinstag oder jetzt am Vortag des Obermain-Marathons. Kreitmeir tut dies alles sehr gerne und mit echte Freude.
Aber auch an ihm geht ein solch strammes Pensum nicht spurlos vorüber. Er macht hieraus gar keinen Hehl und verrät dieser Redaktion, wie er wieder ins Gleichgewicht kommt. 40 Minuten Walking
zwei- bis dreimal wöchentlich beinhaltet sein Bewegungsprogramm. „Ich habe dabei eine Sommer- und eine Winterstrecke“, erzählt er weiter. Wo diese genau liegt, darüber hüllt er sich
verständlicherweise in Schweigen.
„Und wenn es draußen in Strömen regnet, nutz' ich zuhause mein Trampolin, um dem Körper die nötige Bewegung zu verschaffen.“ Das alles tut ihm gut, hält ihn seelisch und körperlich in
Schwung, wie er betont: „Ich habe erkannt, dass ich dieses körperliche Workout, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, einfach brauche.“ Zudem betreibt Kreitmeir zusammen mit
Gleichgesinnten in der Gruppe regelmäßig Yoga.
Im Alter von rund 25 bis 40 habe er auch gejoggt. Kreitmeir freut sich darüber, wenn Menschen mit Begeisterung diesen Sport betreiben. Anders als der Erzbischof, der allmorgendlich seine Runden
dreht, sei das Laufen jedoch nie seine Sache gewesen. „Jeder muss seinen eigenen Weg der Gesunderhaltung finden.“ Der Franziskanerpater ist eben eine ehrliche Haut, spielt nichts vor –
einer der Gründe für seine große Beliebtheit.
„Schwitzen dient der Entgiftung – auch seelisch“, ist der Pater überzeugt. Es muss ja nicht gleich ein Marathon sein. Oft lässt sich schon mit einem Überdenken des Alltagsablaufes ein
positiver Gesundheitseffekt erzielen. Der Geistliche geht da selbst mit gutem Beispiel voran: „Ich nehme grundsätzlich die Treppe, selbst wenn es einen Aufzug gibt“, lässt er wissen. Um
mit verschmitzt-süffisantem Gesichtsausdruck zu ergänzen: „Aber das gilt nur bis zum 7. Stock.“
Apropos Sport: Dazu passt auch Kreitmeirs Vortrag am Montag, 18. April, im Lichtenfelser Stadtschloss unter dem Titel „Sich bewegen, sorgenfrei und entspannter werden“. Dabei bricht er eine Lanz
für bewusste Bewegung und geht ferner aufs Pilgern und Wallfahren ein als besondere Form des „Geh-Betens“. „Jetzt freue ich mich aber erst einmal auf den Marathon-Gottesdienst und lade
herzlich dazu ein“, meint er zum Abschluss des Gesprächs lächelnd.
Der Gottesdienst beginnt um 17 Uhr. Um 16.30 Uhr fährt ab der Adam-Riese-Halle ein kostenloser Zubringerbus hinauf nach Vierzehnheiligen und bringt die Gläubigen anschließend auch wieder zurück
nach Bad Staffelstein.
Leicht bearbeiteter Beitrag von Mario Deller vom 09.04.16 im Obermain Tagblatt