Predigt zum Transitus am 03.10.2015 in der Basilika Vierzehnheiligen


„Es war einmal ...“, so beginnen viele Märchen und sie enden mit den Worten „und wenn er oder sie nicht gestorben ist, dann lebt er oder sie noch heute“.


Zwischen diesen Anfangs- und Schlussworten entwickelt sich dann meistens eine Geschichte des Weggehens, der Prüfung, der Versuchung oder Gefährdung, der Umwege, des Eingreifens von wundersamen Gestalten wie Feen, Zwergen oder Engeln und am Ende ist der Held oder die Heldin der Geschichte innerlich und äußerlich gewachsen, wird reich oder zufrieden und nicht selten gibt es auch eine besondere Hochzeit.


Liebe Freunde und Freundinnen des hl. Franz von Assisi, wir haben gerade Erzählungen über einen besonderen Menschen gehört, den wir alle lieben. Diese Erzählungen muten wie ein Märchen an, sind aber viel mehr als ein Märchen, denn diesen Franziskus hat es wirklich gegeben. Er war ein Mensch aus Fleisch und Blut und verwirklichte wie kein anderer die christliche Erlösungsgeschichte, dass über allem und in allem ein tieferer Sinn und ein tragender Grund liegt.


Franziskus hatte Träume und Sehnsüchte, er versuchte sie zu verwirklichen und erlebte dabei so manche Enttäuschung – er gab nicht auf und lies sich nicht entmutigen.

Und das imponiert uns.


Franziskus erfuhr Enttäuschung, üble Nachrede, Unterstellungen, Neid, Eifersucht und Nichtverstanden-werden. Er konnte dies immer wieder hintanstellen, weil er spürte und erfuhr, dass seine Lebensvision stärker war als alles andere, was diese mürbe machen wollte.

Und das ermutigt uns.

 

Franziskus erlebte Gott persönlich. Dies war seine Kraft- und Inspirationsquelle, die ihn so andere Wege – so mutmachende und erlösende Wege – gehen lies, so anders als es in der Kirche zu seiner Zeit war. Dies wirkte nicht nur damals heilend, sondern zieht bis heute Spuren, die uns aufatmen lassen. Seine liebevolle Art, mit Armen und Ausgestoßenen umzugehen, seine Art zu predigen, seine Beziehung zur Schöpfung, seine friedvolle Begegnung mit dem andersgläubigen Sultan, seine offene und ehrliche Art, das Evangelium der Freude zu leben, wirkte und wirkt erlösend.

Und das gibt uns Halt, Kraft und Trost.

 

Franziskus hielt an Gott fest, auch als er diesen immer wieder und immer länger nicht mehr spüren konnte. Er zeigte dadurch eine Tapferkeit und eine „Trotzmacht des Geistes“, die heutigen Menschen so oft fehlt.

Und diese seine Kraft gibt uns in einer Welt der zunehmenden Gottvergessenheit Kraft und Ausdauer.

 

Franziskus durchlitt körperliche und seelische Schmerzen, Krankheiten und Trostlosigkeiten und konnte durch Gottes Hilfe und eigenen Durchblick auf das Eigentliche und Tragende dies alles nicht nur durchstehen, sondern Krankheit, Schmerz und Tod als seine Schwestern und Brüder erfahren und annehmen.

Was für ein Vorbild für uns, wenn es uns selbst nicht gut geht...


Und wenn Franziskus letztlich immer wieder innerlich und äußerlich alleine und nicht selten einsam war, er scharte um sich – und das bis heute – viele Schwestern und Brüder, die in ihm eine Kraft und eine Lebensqualität spürten, an der sie teilhaben wollten. Sie wollten wie Franziskus sein und viele konnten durch all die Jahrhunderte hindurch auch ähnliche Spuren wie er hinterlassen.

Wir brauchen inspirierende Vorbilder.


Liebe Freunde und Freundinnen des hl. Franz von Assisi, wir feiern heute abend das selige Sterben des Poverello aus Umbrien. Auch wenn wir ihn nicht persönlich kennenlernen durften, so ist er jedem und jeder von uns innerlich schon lange nahe. Wir lieben ihn und deshalb ist sein Sterben für uns nicht Verlust, sondern Gewinn. Seine geistige und geistliche Nähe ist unsterblich und zeigt uns damit auch das große Geheimnis der christlichen Auferstehung.

 

Am Ende seines Lebens – wir haben es gehört – war er ein Beispiel im Loslassen, im Freiwerden, im Aufgehen in Gott. Diese große Kunst des Loslassens ist uns allen zur Aufgabe gegeben und so können wir schon jetzt damit anfangen, es einzuüben. Gedanken einer älteren Christin unserer Zeit mögen uns dazu ermutigen.

 

Loslassen


Loslassen was vorbei ist,

das Geschehene ist rückwirkend nicht mehr zu

korrigieren

 

Loslassen was schmerzt,

positive Gedanken dagegen setzen


Loslassen was klein macht und nieder drückt,

sich seiner eigenen Stärken bewusst werden


Loslassen was mutlos macht,

sich auf Situationen besinnen, in denen ich mutig war


Loslassen was ängstigt,

die Angst aussprechen, ihr "in die Augen schauen"


Loslassen was einengt,

versuchen, sich zu öffnen, Neues wagen,


Loslassen was Schuld zuweist

das Schuldgefühl "anschauen" - realistisch bewerten,

um Verzeihung bitten, eventuell fachmännische Hilfe

suchen, beichten


Loslassen was in die Einsamkeit führt,

hinausgehen, neue Menschen kennen lernen, anderen

helfen

 

Loslassen was Freude verhindert,

sich immer wieder selbst eine Freude machen, sich selbst

etwas schenken, Hobbys pflegen, sich an positive

Situationen im Leben erinnern, aufschreiben.


Loslassen was krank macht,

Arbeit einteilen, Ruhephasen einhalten, körperlichen

Ausgleich schaffen,

sich nichts beweisen wollen, sich bewusst zurücknehmen


 

Loslassen lernen, um frei zu werden. Loslassen lernen, um in Gott einzugehen. Loslassen lernen, um mit den Helden des Alltages, wie Franziskus einer war, einmal vereint sein zu können.


„Es war einmal ... und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute ...“ – kein Märchen, sondern ein gelungenes Leben unseres Freundes Franziskus, das uns selbst zu gelingendem Leben ermutigt.

 

Amen.