Predigt an Erntedank 2015


Wir sehen vor dem Altar eine große Auswahl von Früchten aus unserem Land. Dieses Jahr hat unser Basilikateam auch die Gefährdung der jährlichen Ernte treffend dargestellt, denn die langanhaltende Hitze und Dürre vor allem hier in Franken brachte der Landwirtschaft große Einbußen und zeigte uns allen, dass das natürliche Gleichgewicht schnell aus den Fugen geraten kann.

 

Deutschland gehört zu den reichsten Ländern dieser Erde und wir können gar nicht dankbar genug dafür sein. Gestern durften wir 25 Jahre Wiedervereinigung unseres Heimatlandes feiern. Der Umbruch geschah unblutig – Gott sei Dank! Dies war und ist nicht selbstverständlich – wir sehen es allzu deutlich in einer Welt, die durch Kriege, Egoismus, Terrorismus und Fundamentalismus aus den Fugen zu geraten droht. Die zunehmende Umweltproblematik kommt noch hinzu.

 

In den letzten Monaten brach eine ungeahnte Flüchtlingswelle wegen all der weltweiten Notsituationen über Europa herein – wahrscheinlich erst der Beginn einer neuen Migrationsbewegung von Arm nach Reich. Wir Deutschen zeigten und zeigen ein freundliches Gesicht und eine Willkommenskultur, die deutlich macht, dass wir nicht nur an uns denken, sondern sehr wohl auch teilen wollen und teilen können. Dass viele Bundesbürger und –bürgerinnen tatkräftig und freundlich halfen und helfen, erfüllt mich persönlich mit großer Dankbarkeit.

 

Wer denkt, der dankt und wer dankt, lebt verantwortungsbewusster und zufriedener.

 

Schon vor mehr als 2000 Jahren sah sich der Schreiber der heutigen Lesung aus dem Buch Deuteronomium veranlasst, vor Gleichgültigkeit und Hochmut in Zeiten des Überflusses zu warnen. Wer die Voraussetzungen für sein Wohlergehen missachtet, sägt an dem Ast, auf dem er sitzt.

 

Der reiche Kornbauer, von dem Jesus im heutigen Evangelium spricht, handelt egoistisch. Er hat nur sich selbst im Blick und meint, durch gehortete Vorräte eine gute Zukunft zu sichern. Diese verengte Sichtweise ist darüber hinaus auch unsozial, ungerecht und schafft Spannungen. Nicht ohne Grund wächst der Unwille der Bevölkerung gegen Millionenverdiener, vor allem, wenn Steuerhinterziehung und Betrug im Spiel sind. Weltkonzerne, wie VW, oder Sportverbände, wie die FIFA, geraten durch Betrug, Habsucht und Gier ins Wanken und mit Ihnen unzählige Arbeitsplätze ...

 

Jesus warnt vor Maßlosigkeit und Habgier. Diese Wurzelsünde kann grenzenlosen, maßlosen Schaden anrichten.

 

Immer noch fallen Regenwälder der Geldgier kurzsichtiger Bosse zum Opfer. Was wird, wenn wir weiterhin verschwenderisch mit den Energien, wie Gas, Öl, Strom und Wasser umgehen?

 

Orkanartige Stürme, verheerende Hochwasser und längere Trockenzeiten werden uns begreifen lassen: Es ist klüger, mehr für die Vorbeugung zu tun als steigende Schäden zu begrenzen. Aber vielleicht ist es wirklich so, wie eine indianische Weissagung der Cree so deutlich auf den Punkt bringt: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

 

Ich denke an eine eigentlich schon alte Ballade von Reinhard Mey, aus dem Jahr 1987 mit dem Titel „Das Meer“ (http://www.reinhard-mey.de/start/texte/alben/das-meer)


Die Ufer verpestet und übel schimpfiert,

von Zimmervermietern zubetoniert,

von Pissbuden und Imbissständen gesäumt,

doch es kommt eine Flut, die das alles wegräumt!

Und tobend und tosend schlägt es an die Klippen

mit ungebrochener Urgewalt,

ich schmecke den salzigen Staub auf den Lippen,

nein, das Meer, das ergibt sich uns wohl nicht so bald!

Wie wir es vergiften, missachten und schänden,

wir stören nicht lange sein Gleichgewicht.

Es wird uns nur abschütteln von seinen Stränden,

wir brauchen das Meer, doch das Meer braucht uns nicht.


Ja! Wir brauchen die Natur – doch sie braucht uns nicht.

Wir brauchen die Flüsse, Seen, Bäche, Sümpfe – doch sie brauchen uns nicht.

 

Das Lied von Reinhard Mey enthält auch Worte über das Meer, die für die ganze Natur gelten: „Es ist zärtlich und grausam, ist Tod und ist Leben, und es lässt uns erahnen, wie winzig wir sind.“

 

Wir Menschen kommen immer mehr an die Grenze heran, wo wir schmerzlich erfahren müssen, dass unser Lebensraum mehr als gefährdet ist. Deshalb ist es für mich höchst erwähnenswert, dass dieses Jahr Papst Franziskus als erster katholischer Papst überhaupt eine Umweltenzyklika, also ein wichtiges Lehrschreiben der Gesamtkirche veröffentlicht hat, das über die Kirche hinaus weltweit große Beachtung fand und findet. Es ist höchste Zeit geworden, dass die katholische Kirche die Rolle des Menschen in der Schöpfung Gottes neu bewertet und nicht mehr davon spricht, dass der Mensch sich die Erde untertan machen soll, sondern dass er ganz im Sinne des Hl. Franz von Assisi sich als Verwalter und Bewahrer der Schöpfung neu sehen lernen muss.

 

Mit einem Gebet von Papst Franziskus aus dieser Enzyklika wollen wir uns in die Reihe derer einfügen, die – trotz all der besorgniserregenden Entwicklungen weltweit – auf Gott vertrauen und in diesem Vertrauen durch verantwortungsvolles Handeln gegensteuern:

 

Gebet von Papst Franziskus:

(Aus der Enzyklika LAUDATO SI’ von Papst Franziskus, gegeben zu Rom, Sankt Peter, am 24. Mai, dem Hochfest von Pfingsten im Jahr 2015, dem dritten seines Pontifikats)

 

Allmächtiger Gott,

der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist

und im kleinsten deiner Geschöpfe,

der du alles, was existiert,

mit deiner Zärtlichkeit umschließt,

gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,

damit wir das Leben und die Schönheit hüten.

 

Überflute uns mit Frieden,

damit wir als Brüder und Schwestern leben

und niemandem schaden.

 

Vater der Armen,

hilf uns, die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,

die so wertvoll sind in deinen Augen, zu retten.

 

Heile unser Leben,

damit wir Beschützer der Welt sind und nicht Räuber,

damit wir Schönheit säen

und nicht Verseuchung und Zerstörung.

 

Rühre die Herzen derer an,

die nur Gewinn suchen

auf Kosten der Armen und der Erde.

 

Lehre uns,

den Wert von allen Dingen zu entdecken

und voll Bewunderung zu betrachten;

zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind

mit allen Geschöpfen

auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.

 

Danke, dass du alle Tage bei uns bist.

Ermutige uns bitte in unserem Kampf

für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.


Amen.