Weihnachtspredigt 2016

Nun ist er da, der Tag auf den in den letzten Wochen hingelebt wurde. Nun ist es da, das Fest, das unsere Herzen seit Kindesbeinen an höher schlagen lässt. Ja, das Weihnachtsfest begleitet uns in seiner Wiederholung jedes Jahr neu ein Leben lang. Wie kein anderes Fest reiht sich Weihnachten jedes Jahr neu wie Perlen auf die Schnur des eigenen Lebens.

 

Weihnachten ist ein ganz besonderer Zeitmesser: Weihnachten mit den Eltern, Weihnachten mit den Geschwistern, auf dem Schoß der Oma vielleicht. Weihnachten, wo besondere Wünsche wirklich erfüllt wurden. Weihnachten mit der ersten Liebe, Weihnachten in der jungen Ehe, Weihnachten allein und dadurch vielleicht die Einsamkeit kalt spürend, Weihnachten im fremden Land, Weihnachten mit den eigenen Kindern, Weihnachten mit den alten Eltern, Weihnachten nach der Scheidung. Weihnachten mit Tränen, Weihnachten im Glück ... und auch irgendwann das erste Weihnachtsfest ohne Mutter und Vater ...

 

Weihnachten ist ein ganz besonderer Zeitmesser. Es passt sich der eigenen Lebenssituation an und bleibt dabei doch etwas Besonderes. An Weihnachten werden nicht wenige von Sehnsucht nach der heilen Welt heimgesucht ... und das darf auch mal sein ... denn die Welt ist brutal genug.

 

Auch dieses Jahr werden wir den Abstand zwischen Ideal und Realität in unserem eigenen kleinen Lebensentwurf spüren. Die Medien mit Berichten aus der großen Welt bringen dies leider auch in klarer Schärfe in unsere Wohnzimmer.

 

Weih – Nacht . Ein besonderes, ein göttliches Licht bringt Helligkeit in die Dunkelheit der Welt. Ein Lichterfest in der längsten Nacht des Jahres hat schon eine sehr lange Tradition, die viel älter als das Christentum ist. Die längste Nacht im Jahreskreis ist hierzulande der 22. Dezember. Warum das Christ- und Weihnachtsfest mit dem Hl. Abend auf den 24. Dezember gelegt wurde, liegt vielleicht daran, dass man erst zwei Nächte nach der Wintersonnenwende die Sonnenwende in Richtung zu mehr Licht etwas mehr spürt.

 

Auf jeden Fall steht die unauslöschliche Kraft des Lichtes im Zentrum des Glaubens an Weihnachten. Und die Kraft neuen Lebens. Auch, wenn es schon so abgegriffen erscheint: die Kraft von Weihnachten liegt in der Zusage, dass GOTT uns nicht alleine lässt, dass er die Höhen und Tiefen unseres Lebens teilt. Nicht nur für mich ist das wirklich ein Trost, wie das Adventslied singt: „Wo bleibst du Trost der ganzen Welt?“

 

Die nächsten Tage um Weihnachten herum und zwischen den Jahren geben uns die Möglichkeit und die Chance, Abstand zur Welt und ihrem nicht selten verrückten Treiben zu nehmen. Dieser „Abstand zur Welt“ ist keine Flucht vor der Realität, sondern ein notwendiges und Not wendendes Durchatmen und Auftanken für die neuen Herausforderungen, die auf uns warten.

 

In dieser besonderen Zeit können wir aus dem Alltag heraustreten und eine veränderte Zeitstruktur erfahren. Alles wird irgendwie weicher, wohliger, ruhiger, entspannter. Die vorgegebene Auszeit mit ihren Riten schenkt uns inneren Halt und Seelenkraft, wenn wir sie richtig nutzen.

 

Für den gläubigen Menschen hält diese besondere Zeit eine eigene Kraftquelle bereit: die Einlösung der menschlichen Sehnsucht nach Sinn und Ziel nicht nur in der Weltgeschichte, sondern auch in der je persönlichen Lebensgeschichte. GOTT kommt zur Welt, solidarisch und ganz klein in einem ärmlichen Stall. Das ist nach wie vor unglaublich und entmachtet die Macht der Mächtigen. Die Geschichte Gottes mit uns Menschen zeigt durch all die Jahrtausende, dass der Mensch in seinem Leben weiterkommt, der auf diese Solidarität Gottes geduldig warten kann, damit rechnet und darauf vertrauen lernt.

 

Weihnachten – Zeit zwischen den Jahren ...

Diese besondere Zeit hilft uns, die Welt und das Leben mit anderen Augen sehen zu lernen. Worauf kommt es im Leben wirklich an? Auf Freundschaft, auf Familie, auf Liebe und Frieden, auf einen tieferliegenden Sinn, auf Sehnsucht und deren Erfüllung.

 

Unsere Welt ist in einem großen Wandel, der uns nicht selten ängstigt und schwindlig werden lässt. Das Innehalten, das Durch- und Aufatmen, das Sich-Besinnen-auf-das-Wesentliche, das Vertrauen ins Leben und in Gott schenken uns innere Erfahrungen, die uns für unsere nächsten Schritte ins neue Jahr stärken wollen. Wie sagte der Jesuit Alfred Delp in der dunklen Zeit des Nationalsozialismus so klar, gläubig und deutlich: „Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.“

 

Ich wünsche Ihnen, mir und der ganzen Welt gesegnete Weihnachten. Amen.