Predigt an Erntedank, Lj. B – 2021

(Lesung: Dtn  8, 7-18; Evangelium: Lk 12, 15-21)


Auch wenn unwetter- oder klimawandelbedingt weltweit Ernteausfälle zu beklagen sind und betroffene Landwirte teilweise damit in beträchtliche Nöte geraten sind, leben wir in unseren Breiten Gott sei Dank insgesamt im Überfluss. Beim Einkaufen werden wir von den Ernteausfällen fast nichts bemerken. Wir haben einen Reichtum an Lebensmitteln, und es steht uns ein Warenangebot zur Verfügung wie noch nie zuvor. Fast könnten wir uns sorglos zurücklehnen wie der Gutsbesitzer im Lukasevangelium (Lk 12, 19) und sagen: "Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!" und vergessen, dafür Gott zu danken.

 

Wenn wir aber genauer hinsehen, dann haben wir auch einen Überfluss an Problemen, über die wir nicht hinwegschauen dürfen. Nicht alle Menschen haben teil am Überfluss. Viel zu viele leiden bittere Armut und Hunger. Immer mehr wird über die Medien verkündet, dass bei zunehmender Klimaerwärmung die Dürren und Flutkatastrophen zunehmen werden. Und dann werden Millionen von Menschen Völkerwanderungen in die reichen Länder unternehmen ...

 

Denn seit Jahren beobachten wir klimatische Veränderungen, von denen wir nicht genau sagen können, wodurch sie verursacht werden. Es besteht aber der dringende Verdacht, dass unser leichtsinniges Leben im Überfluss diese mitverursacht. All diese Probleme zu leugnen ist wirklich nicht die Lösung. Die weltweiten Probleme werden dadurch nur mehr.

Das Fest Erntedank ist ein Innehalten am Ende der Erntezeit. Wir danken Gott für die Fülle der Lebensmittel, die uns zur Verfügung stehen. Wir danken bei dieser Gelegenheit auch allen Menschen, die in der Erzeugung von Lebensmitteln mitarbeiten. Darüber hinaus danken wir allen, die sich dafür einsetzen, dass möglichst viele Menschen gut leben können.

 

Wer denkt, der dankt und wer dankt, lebt verantwortungsbewusster und zufriedener.

Schon vor mehr als 2000 Jahren sah sich der Schreiber der heutigen Lesung aus dem Buch Deuteronomium veranlasst, vor Gleichgültigkeit und Hochmut in Zeiten des Überflusses zu warnen. Wer die Voraussetzungen für sein Wohlergehen missachtet, sägt an dem Ast, auf dem er sitzt.

 

Der reiche Kornbauer, von dem Jesus im heutigen Evangelium spricht, handelt egoistisch. Er hat nur sich selbst im Blick und meint, durch gehortete Vorräte eine gute Zukunft zu sichern. Diese verengte Sichtweise ist darüber hinaus auch unsozial, ungerecht und schafft Spannungen. Jesus warnt vor Maßlosigkeit und Habgier. Diese Wurzelsünde kann grenzenlosen, maßlosen Schaden anrichten.

 

Immer noch fallen Regenwälder der Geldgier kurzsichtiger Bosse zum Opfer. Was wird, wenn wir weiterhin verschwenderisch mit den Energien, wie Gas, Öl, Strom und Wasser umgehen?

 

Orkanartige Stürme, verheerende Hochwasser und längere Trockenzeiten werden uns begreifen lassen: Es ist klüger, mehr für die Vorbeugung zu tun als steigende Schäden zu begrenzen. Aber vielleicht ist es wirklich so, wie eine indianische Weissagung der Cree so deutlich auf den Punkt bringt: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

 

Wir Menschen kommen immer mehr an die Grenze heran, wo wir schmerzlich erfahren müssen, dass unser Lebensraum mehr als gefährdet ist. Deshalb ist es für mich höchst erwähnenswert, dass Papst Franziskus als erster katholischer Papst überhaupt eine Umweltenzyklika, also ein wichtiges Lehrschreiben der Gesamtkirche veröffentlicht hat, das über die Kirche hinaus weltweit große Beachtung fand und findet. Es ist höchste Zeit geworden, dass die katholische Kirche die Rolle des Menschen in der Schöpfung Gottes neu bewertet und nicht mehr davon spricht, dass der Mensch sich die Erde untertan machen soll, sondern dass er ganz im Sinne des Hl. Franz von Assisi sich als Verwalter und Bewahrer der Schöpfung neu sehen lernen muss.

 

Mit einem Gebet von Papst Franziskus aus dieser Enzyklika wollen wir uns in die Reihe derer einfügen, die – trotz all der besorgniserregenden Entwicklungen weltweit – auf Gott vertrauen und in diesem Vertrauen durch verantwortungsvolles Handeln gegensteuern:

 

Gebet von Papst Franziskus:

(Aus der Enzyklika LAUDATO SI’ von Papst Franziskus, gegeben zu Rom, Sankt Peter, am 24. Mai, dem Hochfest von Pfingsten im Jahr 2015, dem dritten seines Pontifikats)

 

Allmächtiger Gott,

der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist

und im kleinsten deiner Geschöpfe,

der du alles, was existiert,

mit deiner Zärtlichkeit umschließt,

gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,

damit wir das Leben und die Schönheit hüten.

 

Überflute uns mit Frieden,

damit wir als Brüder und Schwestern leben

und niemandem schaden.

 

Vater der Armen,

hilf uns, die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,

die so wertvoll sind in deinen Augen, zu retten.

 

Heile unser Leben,

damit wir Beschützer der Welt sind und nicht Räuber,

damit wir Schönheit säen

und nicht Verseuchung und Zerstörung.

 

Rühre die Herzen derer an,

die nur Gewinn suchen

auf Kosten der Armen und der Erde.

 

Lehre uns,

den Wert von allen Dingen zu entdecken

und voll Bewunderung zu betrachten;

zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind

mit allen Geschöpfen

auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.

Danke, dass du alle Tage bei uns bist.

Ermutige uns bitte in unserem Kampf

für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden. 

Amen.