Predigt an Allerheiligen, Lj. A – 2017

(Lesung: Offb 7, 2-4.9-14; Evangelium: Mt 5, 1-12a)


Als Seelsorger erlebe ich immer wieder etwas, was mich traurig stimmt: Christen glauben nicht mehr so recht an Gott, an den Himmel, an ein Leben nach dem Tod. Christen – nicht Atheisten!

Da ist irgendwie etwas ganz Wichtiges verloren gegangen beim Menschen der Moderne. Er glaubt nur noch an das Diesseits. Das Jenseits hat seinen Reiz verloren. Für viele ist der Gedanke an den Himmel undenkbar geworden. Nur, das, was messbar oder beweisbar ist, ist stichhaltig.

 

Wie arm ist der Mensch, der nur an Sichtbares glaubt, seine Realität ist sehr eingeschränkt, denn er hält sich nicht offen für andere Realitäten, die unsichtbar sind und uns doch umgeben. Ich will hier mal nur die Welt der Radio-, Radar-, Funk- und Handystrahlen nennen – unsichtbar und doch real. In der Natur „unterhalten“ sich Pflanzen und Bäume durch Pheromone, bestimmte Duftstoffe – unsichtbar und doch real. Und wenn ich in meiner Liebe einen Menschen vermisse, der weit weg ist, dann kann ich mit meinen Gedanken und Gebeten mit ihm – sogar über den Tod hinaus – Kontakt aufnehmen – unsichtbar und doch real ...

 

Ich will mir heute die Frage stellen, wie wir in der modernen Zeit den Himmel wieder erden können, wie wir dem Jenseits eine Realität, Gesichter und Namen geben können.

 

Die gehörten Seligpreisungen sind ein Tor zu dieser anderen Welt, zu der Welt Gottes. Wenn es Gott und seine „Anderwelt“ nicht geben würde, dann wären die Seligpreisungen zynisch und ein Schlag ins Gesicht. Wie kann jemand selig sein, wenn er trauert, arm ist vor Gott, gewaltlos in einer Welt voller Gewalt ist und vieles mehr?

 

„Selig“ – in diesem Begriff verbirgt sich das Wort „Seele“. Nach klassischer philosophischer Auffassung galt die Seele als das Wirkprinzip, das den Menschen mit Gott verbindet, während der Leib den Menschen mit der Natur und materiellen Welt verbindet. Selig wäre also ein Mensch, wenn er mit Gott besonders eng verbunden ist.

 

Das alte und leider altmodisch gewordene Wort „Gottseligkeit“ umschreibt genau dieses Einssein mit Gott.

 

Es geht, wie so oft, um einen Perspektivwechsel. Nur, wenn man seine Blickrichtung ändert, erkennt man die andere Seite der Realität, die einem sonst verborgen geblieben wäre. Es ist wie beim Gesicht eines Menschen. Jedes Gesicht hat zwei unterschiedliche Seiten – nur zusammen machen sie die Harmonie eines menschlichen Antlitzes aus. Zum Menschen gehört seine materielle Natur, zu ihm gehört aber auch seine geistig-spirituelle Dimension.

 

Von dieser Sicht aus bekommen die Seligpreisungen Jesu dann eine wirklich trostreiche Dimension: Denn, wer um der Gerechtigkeit oder des Glaubens willen Verfolgung erleidet, ist eben nicht von Gott verlassen. Wer trauert, ist keinesfalls vom Glauben abgefallen oder von Gott gestraft. Im Gegenteil, der Einsatz für Gott oder die Liebe ist dann gerade besonders kostbar und ehrenwert, wenn er trotz Widerstand und Misserfolg durchgehalten wird.

Nur, wer Sehnsucht nach etwas hat, der wird das Ersehnte erfahren können. Der Satte braucht nichts mehr, er genügt sich selbst und verkümmert seelisch und menschlich.

 

Hier in der Nähe – in Mindelstetten – haben wir eine Heilige, Anna Schäffer. Falls Sie dort noch nicht waren, dann sollten Sie den Ort, wo sie lebte, einmal besuchen. In der materiellen Dimension war sie eine einfache, arme und unbedeutende Frau, der das Schicksal bitter mitspielte: sie verbrühte sich auf´s Schwerste und war dadurch gesundheitlich ein Wrack. Durch ihre geistig-spirituelle Dimension konnte sie ihrem schweren Los sinnvoll trotzen und meisterte nicht nur ihr eigenes Leid. Sie fand in tiefer Weise zu Jesus Christus und konnte unzähligen Menschen eine Trösterin und Helferin werden. Und – das ist das Wunderbare an heiligen Menschen: Sie tut das bis heute, über ihren eigenen Tod hinaus.

 

Wer sich offen hält für die Welt Gottes, wer sich nicht mit der messbaren und beweisbaren Welt alleine zufriedengibt, wer seiner Sehnsucht traut, der wird die Realität über und hinter der sog. Realität finden und erstaunt sein. Ihm wird nämlich etwas geschenkt, was unbezahlbar ist: Seligkeit, was nichts Anderes ist als innerer Frieden.

 

In allem Chaos und Durcheinander den inneren Frieden anstreben und sich dafür offenhalten, das ist das Tor zur „Anderwelt“, zum Jenseits, zu Gott, dessen Realität schon in diese Welt hineinreicht und sie vergoldet.

Die vielen Heiligen, deren Fest wir heute feiern, zeigen uns die Wahrheit dieser Realität – Gott sei Dank! Amen.