Predigt am Vierzehnheiligenfest 2016


1. Ich möcht‘, dass einer mit mir geht,

der’s Leben kennt, der mich versteht,

der mich zu allen Zeiten kann geleiten.

Ich möcht‘, dass einer mit mir geht.

 

2. Ich wart‘, dass einer mit mir geht,

der auch im Schweren zu mir steht,

der in den dunklen Stunden mir verbunden.

Ich wart‘, dass einer mit mir geht.

 

3. Es heißt, dass einer mit mir geht,

der’s Leben kennt, der mich versteht,

der mich zu allen Zeiten kann geleiten.

Es heißt, dass einer mit mir geht.

 

4. Sie nennen ihn den Herren Christ,

der durch den Tod gegangen ist;

er will durch Leid und Freuden mich geleiten.

Ich möcht‘, dass er auch mit mir geht.

 

(EG 209Ich möcht‘, dass einer mit mir geht, Text und Melodie: Hanns Köbler (1930 – 2003))

 

Die 14 Nothelfer, die wir hier in Vierzehnheiligen besonders verehren, sind Menschen, denen man sich auch heute anvertrauen kann. Sie kennen uns, sie mögen uns, sie wollen uns helfen und uns begleiten ... Ich möcht, dass einer mit mir geht. Es sind vierzehn, die das Leben kennen, die uns verstehen und die mit uns gehen. Diese besonderen Freunde Gottes stehen in einer ganz besonderen Nähe zu Jesus Christus, dem HEILAND, der ihre Mitte und ihre Kraft ist.

 

Heiligenverehrung heute, Vierzehnheiligenverehrung heute im Jahr 2016  … Das ist überhaupt nichts Überholtes, das ist etwas sehr Aktuelles, denn wir alle suchen Menschen, die mit uns durch Dick und Dünn gehen.

 

Wir alle suchen nach Menschen, die uns verstehen, bei denen wir uns wohlfühlen, denen wir unser Herz ausschütten können.

 

Wir alle suchen nach Verständnis für unsere Sorgen und Nöte, wir alle brauchen Freunde und Freundinnen, mit denen wir gute und schwere Zeiten teilen können, wo wir aufatmen können.

 

Hier in Vierzehnheiligen werden die 14 Nothelfer seit knapp 600 Jahren besonders verehrt und das ist gut so! Denn sie sind für unzählige Menschen zu verlässlichen Helfern und gegenwärtigen Freunden geworden, denen man sich anvertrauen kann. „Es ist wahrlich etwas besonderes, in der Gegenwart eines Menschen zu sein, der ein Herz für deine Not hat …“

 

Ein Gedicht von Daniela Hinterholzer drückt diese Sehnsucht nach einem freundschaftlich-helfenden Verhältnis sehr gut aus:

 

LIEBE

 

es ist wahrlich etwas besonderes

in der gegenwart eines menschen zu sein

in dessen herz meine worte fallen dürfen

und die dort erwartet werden

ohne beurteilung

ohne bewertung.

 

es ist wahrlich etwas besonderes

in der gegenwart eines menschen zu sein

dessen herz sich berühren lässt

vom tiefsten inneren

meiner nackten seele.

 

es ist wahrlich etwas besonderes

in der gegenwart eines menschen zu sein

dessen herz schweigend verweilen kann

und heimat schenkt

meinem wesen.

 

(aus: Daniela Hinterholzer, Ein Sehnen ist uns zu eigen, Buchverlag Andrea Stangl Paderborn)

 

Die 14 Nothelfer – unsere Freunde im Himmel – Menschen, denen man sich auch heute anvertrauen kann, bei denen man schweigend, singend, betend, klagend und lobend verweilen kann und deren barmherziges Mitgefühl uns sicher ist. Sie lebten und leben Barmherzigkeit inmitten einer eiskalten Welt und hatten erstaunliche Kräfte und Tugenden, weil sie aus der Liebe zu ihrem Meister und Heiland, Jesus Christus, schöpften und schöpfen.

 

Heiligenverehrung heute…

 

Es gibt Kräfte und Wahrheiten in dieser Welt, die zwar unsichtbar, aber doch wirksam sind. Der Brief, den der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer am 19. Dezember 1944 aus dem Berliner Gestapogefängnis an seine Verlobte Maria von Wedemeyer schrieb, machte Geschichte. Er enthält als „Weihnachtsgruß“ das Gedicht „Von guten Mächten treu und still umgeben“ – inzwischen in verschiedenen Vertonungen ein Klassiker unter den Kirchenliedern. Weniger bekannt ist, welches alte Kinderlied den evangelischen Theologen zu diesen Versen inspirierte. Bonhoeffer erwähnt es in dem gleichen Brief: „Abends, wenn ich schlafen geh, vierzehn Engel um mich stehn“. Dieser Abendsegen von Engelbert Humperdinck gab dem auf seine Verurteilung wartenden Inhaftierten Trost und Mut.

 

Diese vierzehn Engel hängen mit der Vierzehnheiligenverehrung zusammen und Bonhoeffer hat dies mit dem Wort „Von guten Mächten wunderbar geborgen …“ so wunderbar ausgedrückt. Diese „guten Mächte“ wirken auch in Vierzehnheiligen. Christlich-katholisch werden diese „Mächte“ Heilige genannt, d. h. es gibt in der geistigen Realität des Himmels „Kräfte“ – ich will sagen „Freunde“ - , die uns hier auf Erden beistehen und helfen. Wer' s glaubt, wird selig.

 

Ja: wer das glauben kann, der wird glücklich, denn er spürt, dass er nicht alleine sein Leben mit den vielfachen Schwierigkeiten bewältigen muss. Er spürt und er lebt im gläubigen Vertrauen, dass diese „Freunde“ ihm zur Seite stehen.

 

Die unzähligen Wallfahrer und Wallfahrerinnen, die seit Jahrhunderten hierher pilgern zeigen dies uns mehr als deutlich. All die vielen Menschen, die in vielerlei Fragen und Nöten zu den Nothelfern heraufziehen, all die unzähligen Gebetsanliegen an der Klosterpforte, in der Kerzenkammer, in der Votivkammer, auf der Homepage ... all diese Menschen können sich nicht täuschen. Und wenn man mit den gestandenen und realistischen Männern und Frauen aus dem Frankenland ins Gespräch kommt, dann „wundert“ man sich über so manche Erfahrungsgeschichte, die man da über die Nothelfer zu hören bekommt.

 

Und noch eine weitere Besonderheit macht die Nothelfer so gefragt und modern: Ihre eigenen Leidensgeschichten adeln sie zu jenen „verwundeten Heilern“, denen Psychologen eine besondere Kraft zutrauen. „Nur wo der Arzt selbst getroffen ist, wirkt er“, schrieb der große Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung. „Nur der Verwundete heilt.“

 

Und der Benediktinermönch Anselm Grün sagt: „Die Nothelfer geben den Menschen den Mut, sich ihren Verletzungen zu stellen. Die Beschäftigung mit ihnen vermittelt die Botschaft: Krankheiten, aussichtslose Situationen und Ängste gehören zum Leben dazu.“ Zwar gilt dieser Gedanke auch für das Leben von Jesus, doch eignen sich die vierzehn Heiligen leichter als der Gottessohn zum praktischen Vorbild, weil sie beide Geschlechter, alle Altersgruppen (der heilige Vitus starb als Siebenjähriger), verschiedene Berufe und soziale Schichten abdecken und weil sie welche von uns waren.

 

Alles Verstiegene, Übertriebene, alles Abgehobene im Religiösen – und da gibt es vieles in der Esoterik und auch in der katholischen Heiligenverehrung durch die Jahrhunderte bis heute zu berichten – ist mir suspekt. Ich brauche Bodenständiges, ich suche mir Wesensnahes und da werde ich bei den 14 Nothelfern fündig.

 

Ähnlich wie unzählige Gläubige im Laufe der Jahrhunderte die einzelnen der 14 Nothelfer mit bestimmten „Sonderaufgaben“ belegten, so ähnlich erfahre ich heute an diesem Ort, dass die Heiligen - unsichtbar, aber wirkkräftig – helfen.

 

Bei der Heiligenverehrung, bei der Vierzehnheiligenverehrung heute geht es darum, dass ein Mensch an meiner Seite steht, der das Leben kennt, der selbst durch Nöte gegangen ist. Nicht „abgehobene Säulenheilige“ werden gesucht, sondern Helfershelfer in allen möglichen Nöten. Die moderne Psychologie spricht da von „wounded healer“, vom „verwundeten Heiler“, von einem, der selbst Not und Leid kennt und deshalb von Herzen helfen will.

 

Solche Helfer, die selbst wissen, was Leid ist, kennen wir seit langem in Vierzehnheiligen. Folgender Spruch in einem der Bücher von P. Dominik Lutz bringt dies treffend auf den Punkt:

 

Nur die Heiligen heilen die Welt.

Durch die Eiligen wird sie entstellt,

durch die Hassenden wird sie zerstört,

durch die Prassenden eitel entleert!

Die nur Tüchtigen retten sie nicht,

und die Süchtigen löschen das Licht.

Die still Tragenden bauen das Haus,

die Entsagenden schmücken es aus!

Die Gott Dienenden segnen die Zeit,

und die Sühnenden tilgen das Leid.

Dich zu beteiligen bist Du bestellt.

Tritt zu den Heiligen!

Heile die Welt!

 

(Rückseite des Buches, Gnadenaltar, Basilika Vierzehnheiligen von P. Dominik Lutz)

 

Die Verehrung und die Darstellungsform der 14 Nothelfer ändert sich durch die Jahrhunderte. Deshalb setzen wir Franziskaner, unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, all die Wallfahrtsführer und –führerinnen die alte Vierzehnheiligenverehrung immer wieder neu in unsere heutige Zeit um. Und es gelingt, denn Vierzehnheiligen lebt und zeigt uns in einer sich nur noch um das EGO drehenden Welt, dass es Wertvolleres gibt. Es gibt zeitlose Werte, wie Barmherzigkeit üben, anderen helfen, dabei selbst Glück und Sinn finden, es gibt einen tragenden Glauben an Gott. Es gibt die heilende und tröstende Kraft der Freundschaft in guten und in schweren Tagen, in Gesundheit und Krankheit.

 

„Ich möcht‘, dass einer mit mir geht,

der’s Leben kennt, der mich versteht,

der mich zu allen Zeiten kann geleiten.

Ich möcht‘, dass einer mit mir geht.“

 

Es gibt ihn, diesen EINEN und seine Mithelfer, die Nothelfer. Die Freundschaft zu ihnen befähigt uns dann selbst, zu Freunden und Nothelfern für andere zu werden, die in vielfältige Not geraten sind. Ein Text von Frank Neumann will uns Mut dazu machen:

 

„Der Engel der Freundschaft begleite dich!

Er lasse dich die Menschen erkennen,

auf die du zählen kannst,

die dich nicht ändern wollen,

die dich annehmen, so wie du bist.

Er mache dich offen für wirkliche Begegnungen,

für ernste Gespräche, für Lob und Kritik.

Er zeige dir Menschen mit offenen Ohren,

mit dem Mut zur Wahrheit,

mit der Gabe zu schweigen

über alles, was du ihnen anvertraust.

Auch dir hat Gott verliehen,

anderen ein Freund zu sein.

Die Kosten an Zeit, an Kraft,

an Durchhaltevermögen

verwandeln sich in einen Schatz,

wenn du der Freundschaft

nur Raum gibst, um zu wachsen.“

 

(Der Engel der Freundschaft, Butzon & Bercker GmbH, Nr. 775 025, Text: Frank Neumann)

 

Lasst uns wachsen in der Freundschaft zu Gott und seinen Nothelfern.

Amen.