Predigt am 6. Sonntag nach Ostern, Lj. B – 2018

(Lesung: Apg 10, 25-26.34-35.44-48; Evangelium: Joh 15, 9-17)


Von der heutigen Lesung ist mir noch wohlwollend in Erinnerung geblieben, dass Petrus zum römischen Hauptmann, der sich vor ihm niederwirft, sagt: „Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch.“

 

Das ist nicht nur menschlich sehr sympathisch, sondern es ist auch ein Hinweis auf den Pfingstgeist, der enge Grenzen zwischen Juden und Heiden aufbricht. Petrus geht in dieser Begegnung mit dem Heiden auf, dass Gott nicht auf die Person, den gesellschaftlichen Stellenwert, die Religionszugehörigkeit oder ähnliches mehr sieht. JEDE und JEDER ist Gott willkommen, „wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“, so sagt es Petrus, der sich innerlich gewandelt hatte. Nicht mehr eng, sondern weit ...

 

Das, was Jesus seinen Jüngern immer wieder gepredigt und vorgelebt hatte, kommt nun im Herzen an und lebt das, was Jesu Geist ausmachte. So sagt Jesus heute im Evangelium: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte ... Vielmehr habe ich euch Freunde genannt.“

 

Ein Freund, eine Freundin ist jemand, der uns durch Dick und Dünn begleitet, der uns seelenverwandt ist, auf den wir zählen können, mit dem wir uns in guten oder schweren Zeiten gegenseitig bereichernd austauschen können.

 

Jesus nennt seine Anhänger Freunde. Und Freunde spüren sensibel, worauf es dem anderen ankommt, was ihm wichtig ist.

 

Echte Freundschaft ist ein hohes Gut. Für einen echten Freund ist man bereit, vieles zu geben. In einer Freundschaft kann ich mich zeigen, wie ich bin, mit meinen Stärken und Schwächen, mit meinen Ecken und Kanten. In einer Freundschaft kann ich vertrauen - und dadurch häufig über mich selbst hinauswachsen.

 

Gleichzeitig machen wir auch die Erfahrung, dass man sich in einer Freundschaft nicht besitzt, dass man den anderen nicht als Objekt behandeln kann - oder gar als sein Eigentum. Freundschaft muss gepflegt werden: Sie braucht Zeit und Raum. Eine gute Freundschaft hält es sicher aus, wenn es eine Zeitlang wenig Platz für sie gibt, aber ab und zu braucht sie neue Aufmerksamkeit von beiden Seiten.

 

All das schwingt mit, wenn Jesus seine Jünger Freunde nennt. Für Jesus gehören Liebe und Freundschaft zusammen. Jesus bietet eine innige Verbundenheit an, die den ganzen Menschen mit Haut und Haaren, mit Wollen und Tun umfasst.

 

Als Christ geht es also nicht primär darum, irgendwelche Gebote zu erfüllen, sondern darum, mich immer neu für Jesus Christus und seine Freundschaft zu öffnen. Es geht darum, seine Liebe und Hingabe in meinem Leben aufzuspüren und zu spüren. Dann erfülle ich ganz von alleine das, worauf es ankommt.

 

Das Phänomen der Freundschaft wird seit einiger Zeit von Philosophie, Psychologie und Spiritualität wieder neu entdeckt. Da gibt es viele hilfreiche Erkenntnisse und Tipps, wie wir Freundschaft zu uns selbst, zu anderen und auch zu Gott pflegen können. Und manchmal ist auch ein Blick in die Literatur hilfreich.

 

Der Dichter Friedrich von Bodenstedt (1819-1892) schenkt uns wunderschöne Zeilen über die Freundschaft, die ich an Sie weiterschenken möchte:

 

„Wenn Jemand schlecht von deinem Freund spricht,

und scheint er noch so ehrlich: glaub´ ihm nicht!

Spricht alle Welt von deinem Freunde schlecht:

Misstrau´ der Welt und gib dem Freunde Recht!

 

Nur wer so standhaft seine Freunde liebt,

ist wert, dass ihm der Himmel Freunde gibt.

Ein Freundesherz ist ein so selt´ner Schatz,

die ganze Welt beut nicht dafür Ersatz;

 

Ein Kleinod ist´s voll heil´ger Wunderkraft,

das nur bei festem Glauben Wunder schafft –

Doch jedes Zweifels Hauch trübt seinen Glanz,

einmal zerbrochen wird´s nie wieder ganz.

 

Drum: wird ein solches Kleinod dir beschert,

o trübe seinen Glanz nicht, halt es wert!

Zerbrich es nicht! Betrachte alle Welt

als einen Ring nur, der dies Kleinod hält,

 

dem dieses Kleinod selbst erst Wert verleiht,

denn wo es fehlt, da ist die Welt entweiht.

Doch würdest du dem ärmsten Bettler gleich,

bleibt dir ein Freundesherz, so bist du reich;

 

Und wer den höchsten Königsthron gewann

Und keinen Freund hat, ist ein armer Mann.“