Predigt am 29. Sonntag im Jahreskreis, Lj. A – 2017

(Lesung: 1 Thess 1, 1-5b; Evangelium: Mt 22, 15-21)


Im heutigen Evangelium haben wir wieder einmal eine klassische Konfliktsituation zwischen Jesus und den Pharisäern. Und wie so oft antwortet Jesus auf eine Fangfrage auf unerwartete und überraschende Weise: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört.“

 

Ich möchte heute einmal auf das Phänomen schauen, dass Menschen anderen Menschen bewusst Fallen stellen, damit diese straucheln, fallen und scheitern. Traurig, aber wahr! Dieses Phänomen gibt es seit es Menschen gibt. Besonders schlimm und schmerzlich wird es aber erfahren, wenn menschliche Falschheit mit äußerer Frömmelei verbunden wird.

 

Die Intrigen und Tricks der frommen Pharisäer sind schon sehr gemein und offenkundig aggressiv Jesus gegenüber. Heute hören wir sogar davon, dass sie ihre Schüler manipulativ ausnutzen und sogar Anhänger des Königs Herodes für ihre Machenschaften einspannen. Durch deren Einbeziehung wird die Gefahr vergrößert, dass sich Jesus durch eine politisch inkorrekte Antwort massive Probleme mit der politischen Obrigkeit einhandeln könnte.

 

Jesus war nicht nur ein friedlicher Mensch, er wusste sich gegen Intrigen und offene oder versteckte Angriffe zu wehren. Mal deutlich, indem er seine Gegenspieler z.B. „Schlangenbrut“ nannte, sehr oft aber durch meisterliche Argumentationen, die die von anderen gelegten Fallstricke ins Leere gehen ließen.

 

Jesus konnte aggressiv sein. Er verhielt sich nie destruktiv-aggressiv, sondern immer defensiv-aggressiv. Wer destruktiv aggressiv ist, hat die Absicht, anderen zu schaden. Wer defensiv aggressiv ist, der schützt sich und andere und kämpft für Werte und gute Ziele, wenn sie Schaden zu nehmen drohen.

 

Jesus ging es um diese Werte von echter Gottesliebe, von Reich Gottes in ehrlicher Form. Seinen Gegnern ging es um rechtliche und politische Erbsenzählerei. Er war für sie ein Dorn im Auge und musste beseitigt werden, weil seine Ehrlichkeit, seine Klarheit und Reinheit für solche falschen Leute unerträglich war.

 

Von Jesus können wir lernen, dass Christ-Sein nicht immer nur Lieb-Sein bedeutet. Jesus lebte eine gesunde und kraftvolle Aggressivität, die eingebettet war in seine außergewöhnliche Spiritualität. Von Jesus können wir folgendes in diesem Bereich lernen:

 

·      Jesus hat bei einem Streit die schwierigen Punkte klar und deutlich ausgesprochen, statt „drum herum“ zu reden.

 

·      Jesus kann konfrontieren. Er schaut nicht primär auf das Amt, die Stellung oder die Funktion eines Gegners, sondern er spricht die Sache an, um die es geht. Er hofiert nicht aus Menschenfurcht seinen Gegner und verharmlost den Streitpunkt nicht.

 

·      Jesus hat einen guten Kontakt zu seinen Gefühlen und zeigt sie, statt sie zu verbergen, abzuspalten oder in sich hineinzufressen.

 

·      Jesus durchschaut die Fallen seiner Gegner und handelt dann unterschiedlich. Mal umgeht er sie, mal spricht er deutlich das Fehlverhalten an und oft und nicht selten genial hebt er den Streitpunkt auf ein anderes, ein höheres Niveau.

 

In unserem heutigen Fall bedeutet die gestellte Zwickmühle folgendes: Sagt Jesus „Ja, man darf dem römischen Kaiser Steuern zahlen“, dann gibt er sich vor dem jüdischen Volk eine Blöße. Sagt er: „Nein, das darf man nicht“, dann gibt er seinen Gegnern Anlass, ihn wegen Aufruhr bei den Römern anzuzeigen. Jesus erkennt die Falle und nimmt eine Art Meta-Perspektive ein und findet eine „Lösung zweiter Ordnung“. Er akzeptiert keine der beiden Alternativen, sondern bietet eine dritte Möglichkeit auf einer ganz anderen Ebene an. Lösungen zweiter Ordnung öffnen unerwartete, überraschende und nicht selten paradoxe Wege. Die zu lösenden Probleme werden jetzt und hier angegangen. Was dabei verändert wird, sind die Wirkungen und nicht die vermeintlichen Ursachen. Lösungen zweiter Ordnung nehmen das Problem aus dem Teufelskreis und der Zwickmühle heraus, in den sie die bisherigen Lösungsversuche geführt haben, und stellen es in einen neuen und weiteren Rahmen.

Jesu Grundfrage ist immer: Was ist wirklich erstrangig im Leben und was ist nachrangig?

 

·    Jesus ist authentisch und versteckt sich nicht hinter Floskeln und Masken. Dabei legt er eine Kreativität an den Tag, die immer wieder staunen lässt.

 

·    Jesus geht sorgfältig mit seinen Kräften um und weiß klug zu entscheiden, wofür er diese Kräfte aufwendet und wofür nicht.

 

·    Und Jesus konnte, wenn nötig, ein Streitgespräch beenden, statt fruchtlos weiter zu diskutieren und sich dadurch im Kreis zu drehen.

 

Jesus ist für uns ein Lehrer für echtes und gelingendes Leben, auch in der Auseinandersetzung und im Streit. Amen.