Predigt am 24. Sonntag im Jahreskreis, Lj. A – 2017

(Lesung: Sir 27, 30 - 28, 7; Evangelium: Mt 18, 21 - 35)


 

Heute sind wir so richtig in den Texten der Lesung und des Evangeliums drin, sie sprechen uns aus dem Herzen, wir stimmen mit ihrem Inhalt überein und auch mit den gehörten Konsequenzen: Recht hat er, der König! Das ist ja unerhört! Da wird dem einen Diener eine unvorstellbare Schuld erlassen, nachdem er darum bittet. Und er selbst bleibt einem anderen gegenüber, der ihm „Peanuts“ schuldet, total hartherzig. Gut so, dass der König da seine ganze Härte zeigt – so spüren wir es in unserem Herzen.

 

Wir kennen es ja aus unserer Realität: Da werden Milliarden (!) von Euros durch Bankenskandale, Griechenlandhilfe und Automobilindustrie gleichsam verbrannt und die Schuldigen bekommen oft sogar noch Abfindungen. Die Kleinen aber – WIR – müssen schauen, wie wir mit unseren Befindlichkeiten und Schulden klarkommen.

 

Bei all unseren starken Empfindungen und Gefühlen in diesem Bereich sollten wir jetzt aber nicht übersehen, worum es in den heutigen heiligen Texten eigentlich geht: Es geht um die Kraft der Vergebung. Und das ist vor allem eine geistige Kraft.

 

Diese Lebenskunst ist quantitativ nicht zählbar, wie Petrus es mit seiner Frage meint: „Herr, wie oft muss ich vergeben? Siebenmal?“

Es geht um die Qualität einer grundsätzlichen Lebenshaltung, wie Jesus das zählbare Denken dann Absurdum führt: „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal“. Also unendlich!

 

Die moderne Psychologie hilft uns, das befreiende Geheimnis der Vergebung genauer zu entschlüsseln (vgl. https://www.wikiwand.com/de/Vergebung_(Psychologie) :

 

Vergebung ist vorwiegend ein innerseelischer Prozess. Durch Vergebung verzichtet eine Person auf den Schuldvorwurf und auf ihren Anspruch der Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts, ohne die erlittene Verletzung zu relativieren oder zu entschuldigen. Durch Vergebung befreit sich die verletzte Person aus der Opferrolle. Sie ist nicht mehr nachtragend. Die Tat kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber die verletzte Person kann besser mit den Folgen leben. Wer vergibt, handelt ähnlich einem Gläubiger, der einem zahlungsunfähigen Schuldner die Schuld erlässt. Vergeben wird nicht die Tat, sondern vergeben wird dem Täter.

 

Dabei ist auch wichtig, was Vergebung nicht bedeutet:

Die Verletzung wird nicht verleugnet oder vergessen, man übt auch keine falsche Nachsicht. Die Verletzung und deren Folgen werden auch nicht akzeptiert oder gebilligt. Vergebung bedeutet auch nicht unbedingt Begnadigung, also die Erlassung der Strafe des Verletzers. Und: Eine verletzende Handlung wird im Nachhinein nicht durch Argumente gerechtfertigt.

Wer die hohe Kunst der Vergebung erlernt – und eigentlich betonen dies alle Religionen – bekommt viel zurück: Seine Selbstwertschätzung nimmt zu, Verbitterung, Wut, Zorn und ähnliche negative Affekte nehmen ab, weniger Angst, Depression und mehr Zufriedenheit nehmen in der Seele Raum ein.

 

Wer Vergebung in seinem Leben entdeckt und einübt, wird einen großen Gewinn davontragen. Er durchbricht den ewigen Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt, von Rache und Vergeltung, von negativen Gefühlen anderen gegenüber, die einen dann selbst krankmachen und die Gedanken nicht zur Ruhe kommen lassen. Der Vergeber wird psychosomatisch gesünder, friedvoller und zufriedener. Ihm wachsen Kräfte zu, die Neues bewirken können und diese Welt etwas heller machen.

 

Vergebung hat aber nicht nur psychologische Quellen, aus denen sie schöpft, ihre eigentliche Kraft kommt von Gott her.

 

„Die Vergebung, die Jesus Christus meint, bedeutet, dass die Liebe Gottes Raum gewinnt und jene neue Ordnung schafft, welche unter den Söhnen und Töchter Gottes herrschen soll.“ (Romano Guardini)

 

Wenn Sie wollen, dass Ihr Leben weicher, gelassener, gesünder, freier, glücklicher und zufriedener werden soll, dann lernen Sie Vergebung. Gott steht dem bei, der seine Hilfe beim Einüben sucht. Amen.

 

Meditation:

                                                   

„Wer das eigentliche Vergeben vollbringt, ist ja nicht der Mensch. Das Gebot >>du sollst deinem Feinde vergeben<< kann auch so ausgedrückt werden: >>Vernimm die Botschaft, dass es dir möglich ist, deinem Feinde zu vergeben; deshalb, weil Christus am Kreuz seinen Feinden vergeben hat und er in dir die Vergebung wirkt.<<

Wenn der Mensch bloß aus sich heraus vergibt, dann wird etwas anderes daraus, als der Herr meint. Klugheit etwa, die rechnet: >>Lass gehen, es kommt nichts dabei heraus<<; Gleichgültigkeit, die sagt: >>Was liegt daran<<; unechte Freundlichkeit, die nichts ist als ins Gegenteil umgeschlagene Abneigung; Feigheit, die sich nicht traut, die Sache auszufechten usw.

Die Vergebung, die Christus meint, ist anders. Sie bedeutet, dass die Liebe Gottes Raum gewinnt und jene neue Ordnung schafft, welche unter den Söhnen und Töchtern Gottes herrschen soll. Wenn du dich also um Gottes und seines heiligen Geheimnisses willen bemühst, das Gebot der Liebe zu erfüllen, schaffst du den Raum, in welchem Gott die Gemeinde derer erstehen lässt, die in seiner Liebe verbunden sind.“ (Romano Guardini)