Predigt am 21. Sonntag i. Jkrs., Lj. C – 2022

(Lesung: Jes 66, 18-21; Evangelium: Lk 13, 22-30)


Vielleicht kennen Sie noch den Schlager: „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind...“ Dieses Schunkellied mag uns zwar bei diversen Festen den Ernst der Lage vergessen lassen, wird aber im Alltag kaum von jemand als ernsthafte Botschaft genommen werden.

Das Evangelium von heute ist eine ernste Botschaft, die sagt: Vielleicht werden gar nicht alle Menschen gerettet. Oder doch?

Generationen von Theologen haben sich mehr oder weniger erfolglos die Köpfe zerbrochen. Aber eigentlich ist das gar nicht die entscheidende Frage des Evangeliums. Ob am Ende alle Menschen gerettet werden und ob ich dabei bin, diese Frage dürfen wir getrost in die barmherzigen Hände Gottes legen und im Hier und Jetzt an der Verbesserung dieser Welt mitarbeiten.

 

Es geht in den Worten Jesu darum, ob wir begreifen, welche Entschiedenheit die Nachfolge Jesu von uns verlangt.

Es muss für einen Menschen – auch einen Christen – schrecklich sein, am Ende des Lebens feststellen zu müssen, dass man in seinem Leben die falschen Prioritäten gesetzt hat. Wie gern würde man noch etwas ändern, aber es geht nicht mehr, es ist endgültig zu spät.

 

Vielleicht ist es einfach gut, hin und wieder sein Leben vom Ende her zu betrachten und sich zu fragen: „Wofür lebe ich? Was ist mir wirklich wichtig in meinem Leben?“ … und dann Konsequenzen daraus zu ziehen. In der geistlichen Tradition nennen wir das „Revision de vie – Zwischenbilanz ziehen“.

 

Manchmal gibt es schon mitten im Leben so etwas wie ein heilsames Erschrecken. Das kann eine Krise, ein Unfall, eine Krankheit, ein Verlust sein oder auch ein Gespräch oder ein Text. So ein Text wie der heutige Evangeliumstext vielleicht … aber wir haben uns leider schon zu sehr an diese Worte gewöhnt …

 

Denn auch Christen sind nicht davor gefeit, dass sich ihr Leben in Belanglosigkeiten erschöpft. Es reicht für einen Christen nicht aus, Jesus nur gekannt oder bekannt zu haben. Charles de Foucauld zum Beispiel, der als Christ unter den muslimischen Tuareg in Nordafrika das Leben Jesu nachahmte und auch zum Märtyrer seines christlichen Glaubens wurde, hatte dazu einen guten Rat: „Sich in allem fragen, was Jesus an unserer Stelle denken, sagen und tun würde – und so handeln.“

 

Es geht in Jesu Worten und seinem Handeln darum, ob wir begreifen, welche Entschiedenheit die Nachfolge Jesu von uns verlangt. Auch ein getaufter Christ kann sein Leben verfehlen. Es ist nicht wie bei einer Personenkontrolle, wo es genügt, einen gültigen Ausweis vorzuzeigen. Nicht das Vorzeigen des Taufscheins oder der Kirchensteuererklärung ist entscheidend, sondern die Tatsache, wie sehr die Nachfolge gelebt wird. Und das heißt konkret: Die Liebe zu Jesus Christus muss zugleich die Liebe zum gestaltenden Einsatz in dieser Welt sein. Denn diese Welt braucht dringend Christen, die ihr Christsein ernst nehmen. Amen.

 

FÜRBITTE FÜR ZUFRIEDENE

von Joop Roeland

 

Für die, die alles schon haben,

die ohne Erwartung, ohne Wunsch,

ohne Zukunft sind:

 

Für die, die alle Antworten wissen,

aber nicht mehr die Fragen,

die dazugehören:

 

Für die, die alle Fahrpläne kennen,

aber nicht mehr das Verlangen

nach Aufbruch:

 

Für die, die sich nicht mehr erinnern können

an die Träume des Anfangs,

an die Neugierde des Aufwachens,

an den Ruf der Ferne:

 

Für die, die im Winterschlaf verharren

und frühlingsmüde vergessen haben

auf Hunger und Durst nach Gerechtigkeit:

 

Für die, die ihr Leben ausgerechnet

und keinen Platz mehr haben

für etwas, größer als das Herz:

 

Um Neugierde.

Um Unruhe.

Um Sehnsucht.

Um Ungeduld.

Um Zukunft.

 

Aus: Gioconda Belli, Wenn du mich lieben willst, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1993.