Nur wer die Sehnsucht kennt...

P. Christoph Kreitmeir zeigte Wege zu einer bereichernden Spiritualität

Vortrag mit Autorenlesung im Rahmen der Katholischen Erwachsenenbildung am 14.10.2014 in Ingolstadt


P. Christoph referierte in Ingolstadt über die Sehnsucht
P. Christoph referierte in Ingolstadt über die Sehnsucht

"Nur wenn ich mich nach Gott sehne, kann er wirksam werden", meint eine Fachärztin auf die Frage nach dem, was Sehnsucht für sie bedeutet. Eine Hausfrau drückt es etwas anders und bildhafter aus: "Gott kommt nicht wie ein Gast ins Haus, sondern er kommt in mein Herz hinein. An mir liegt es, für ihn Raum zu schaffen und genau das geschieht durch die Sehnsucht." P. Christoph Kreitmeir, Franziskaner aus Vierzehnheiligen, spiritueller Begleiter und Buchautor, hat verschiedene Leute zum Thema Sehnsucht und Spiritualität befragt, und die Ergebnisse dieser Dialoge in einem neuen Buch verarbeitet. Dessen Grundgedanken stellte er jetzt in einem Vortrag im Dr.-Eck-Saal des Canisius-Konviktes vor.


"Wenn du dich wirklich auf die Suche machst, kommt Gott dir entgegen". Diese zentrale Erfahrung ist ein guter Grund, Sehnsucht zu wecken oder wachzuhalten. Und Sehnsucht ist uns nicht unbekannt. Wir wissen um Situationen, in denen wir glauben, im Himmel zu sein – etwa in der Natur, oder in einer gelungenen Beziehung oder in einer besonderen Begegnung mit Gott. Wir sind erfüllt von Freude und Dankbarkeit und spüren, dass unser Leben wirklich einen Sinn hat.


Situationen kommen immer auf uns zu, machte Christoph Kreitmeir deutlich und zitierte den Psychiater Viktor Frankl, den Begründer der Logotherapie: „Es ist das Leben, das uns Fragen stellt und an uns ist es, darauf Antwort zu geben.“

 

"Nur wenn ich mich nach Gott sehne, kann er wirksam werden"

 

So war es für P. Christoph beeindruckend, einer Veranstaltung in der Türkei mit den tanzenden Derwischen beizuwohnen, wo er feststellen konnte, wie sehr hier durch die Symbolik erfahrbar ist, dass – gerade auch junge  – Menschen ganz bewusst Hingabe leben und diese Hingabe Ausdruck von Sehnsucht ist. Konkret ist das Ablegen des schwarzen Mantels durch den tanzenden Derwisch Zeichen des Ablegens des "Ego". Er trägt dann ein weißes Kleid, das die Reinheit der Seele und die Hingabe an Gott darstellt, die sich gerade auch in der Liebe zur Schöpfung ausdrückt.


Letztlich ist Sehnsucht, so P. Christoph, oftmals eine unbewusste Macht, die nur darauf wartet, geweckt zu werden. Tatsächlich werden aber Sehnsüchte heute wieder neu entdeckt. Oft sind diese Sehnsüchte mit Wunschvorstellungen gespeist, die zwar unerreichbar scheinen, gleichwohl aber in Gott ihre Vollendung haben.

Der Referent stellte Parallelen zwischen der heutigen Zeit und dem Zeitalter der Romantik fest, das zu Beginn des 19. Jahrhundert eine Antwort auf die stark verkopfte Philosophie der Aufklärung, die Wirrungen der Französischen Revolution und der Entwicklung von Kleinstaaten nach der Herrschaft Napoleons und des Wiener Kongresses war. Damals besann man sich neu auf die eigene Innenwelt, auf das Herz und die Intuition. Eine ähnliche Entwicklung konstatierte P. Christoph auch für heute: Es gebe etwa eine verstärkte Sehnsucht nach gelungener Partnerschaft, wofür auch soziale Netzwerke wie "facebook" stehen. Gleichwohl ist gerade die Sehnsucht Einfallstor für Missbrauch, wer Angebote annimmt, die Sehnsucht befriedigen wollen, muss oft genug mit Abzocke rechnen.


Zudem sei Sehnsucht ein typisch deutsches Thema. Der Grund dafür kann sein, dass die Deutschen nie Seefahrer waren und ihrem Naturell so der Blick auf die Weite des Meeres nicht eingeschrieben war. Stattdessen habe sich dann die Auseinandersetzung mit Weite ganz anders in ihre Innenwelt verlagert.

 

"Letztlich ist Sehnsucht oftmals eine unbewusste Macht, die nur darauf wartet, geweckt zu werden"

 

Was Sehnsucht aber auch bewirken kann, zeigte P. Kreitmeir am Beispiel des Maler Paul Gauguin. Dieser hat, obwohl er eine sichere Lebensstellung hatte und gut verdiente, alles aufgegeben, um künftig als mittelloser, aber glücklicher Maler zu wirken. Dieses Beispiel zeigt, welche Sprengkraft in der Sehnsucht liegt.


Letztlich zeigte P. Christoph, wie wertvoll es für das ganze Leben ist, Sehnsüchte aufzuwecken und wachzuhalten – auch wenn es Mut erfordert. Dazu erzählte er zum Abschluss die Geschichte von einem Angler, der alle Fische wieder ins Wasser warf, deren Länge mehr als 24 cm betrug. Befragt warum er das denn tue, meinte er: "Meine Bratpfanne passt genau 24cm und nicht mehr." Die Moral von der Geschichte: Wenn man sich mit wenig zufrieden gibt, verpasst man so einiges. In diesem Sinne ermutigte P. Christoph Sehnsüchte und Träume wachzuhalten und nicht zu leicht aufzugeben.


Text und Fotos: Raymund Fobes für die KEB Ingolstadt