Mit 70 hat man noch Träume!

Franziskanerpater Christoph Kreitmeir widmete sich dem wichtigen Thema

„Altern“ – innere Einstellung entscheidend


P. Christoph mit dem neuen Buch "Altwerden ist nichts für Feiglinge" von Joachim "Blacky" Fuchsberger
P. Christoph mit dem neuen Buch "Altwerden ist nichts für Feiglinge" von Joachim "Blacky" Fuchsberger

Auch der kalte Winter hat seine schönen Seiten. Und das kann man nicht nur meteorologisch so sehen, sondern auch bezogen auf den „Winter des Leben“, das Alter. Diesem gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung so eminent wichtigen Thema, das uns alle angeht, widmete sich am Mittwochabend Franziskanerpater Christoph Kreitmeir. In der Ehemaligen Synagoge in Lichtenfels referierte er über „die Kunst sinnvoll zu altern“, über Kneipp-Kuren, hochaktuelle Märchen und ganz persönliche Erfahrungen, die ihn prägten.

 

Mit 17 hat man noch Träume. Und mit 70 darf man sie nicht mehr haben? Mit dem Text des bekannten Schlagerliedes von Peggy March kann Christoph Kreitmeir nicht viel anfangen und erklärte den Zuhörern auch gleich warum: „Ich verstehe nicht, warum die Zeit der Jugend und des jungen Erwachsenenalters immer so verherrlicht wird. Keine Zeit ist besser als die andere – es kommt einzig auf die - unsere Einstellung an, unabhängig vom Lebensalter“, betonte er.

 

Ob Guiseppe Verdi, der mit über 80 noch komponierte oder Konrad Adenauer, welcher mit weit über 80 als Bundeskanzler das Land regierte – Menschen wie diese zeigten, dass man auch im fortgeschrittenen Alter noch Erstaunliches leisten kann. Und Schauspieler Heinz Rühmann hatte sich auf der Zielgeraden seines über 90 Jahre währenden Lebens die kindliche Begeisterung bewahrt: „Ich interessiere mich jetzt für Dinge, für die ich früher gar keine Zeit hatte“, heißt es von ihm in einer seiner letzen Interviews. „Entscheidend ist, dem Alter etwas Positives abzugewinnen“, meinte Kreitmeir und ergänzte: „Ach, solche Lichtgestalten, ich bin nur eine kleine Nummer – falscher Denkansatz! Wenn Sie positiv an das Alter herangehen, werden Sie auch positive Ansätze finden.“ Die 75-jährige Marianne im Publikum führte Kreitmeir als tolles Beispiel an. Die Seniorin ist – wie Kreitmeir selbst seit fünf Jahren – begeistertes Mitglied des Lichtenfelser Kneipp-Vereins, der im Übrigen auch zu dem Vortragsabend in der Ehemaligen Synagoge eingeladen hatte. „Die Marianne macht Yogaübungen, da sehe ich mit meinen 52 Jahren alt aus“, lachte Kreitmeir, der an dieser Stelle die positiven gesundheitlichen Wirkungen von Tai Chi, Qi Gong, Yoga und der Kneippschen Lehre insgesamt pries.

 

„Entscheidend ist, dem Alter etwas Positives abzugewinnen“

 

Wie immer ließ der Franziskanermönch auch eine Reihe von persönlichen Erfahrungen in seinen Vortrag einfließen, verlieh seinen Ausführungen dadurch zusätzlich Herzenswärme. Mit ein wenig Traurigkeit in der Stimme erinnerte sich Kreitmeir an den erst jüngst im September mit 84 Jahren verstorbenen franziskanischen Mitbruder Pater Heinrich Fürst. „Ich kann wirklich sagen, er war ein Vorbild für mich, was das richtige Altern betrifft“, so Kreitmeir, der schilderte, wie Pater Fürst sich immer beim Essen Zeit gelassen, dieses genossen habe. „Mein Vater ist bereits 88 Jahre alt“, ließ Kreitmeir dann wissen und schwärmte, wie beide Seiten davon profitierten, als der Senior neulich mit seinem ältesten, mitten im Berufsleben stehenden Enkel plauderte und diskutierte.

 

Wir alle werden nicht jünger – und Lachen ist die beste Medizin. Dementsprechend genossen die Zuhörer auch die humorvollen Elemente der Rede Kreitmeirs. So ließ der Franziskaner etwa anhand von Zeitungsartikeln thematisch ins Bild passende Unterhaltungsveranstaltungen der Region Revue passieren wie beispielsweise das in Michelau stattgefundene Mundart-Theaterstück „Die Oma geht nein Internet“. Auch über Wissenslücken im Ehealltag sollte man sich nicht ärgern, meinte Kreitmeir, der den Herren der Schöpfung eine originelle „Ausrede“ im Fall der Fälle verriet: „Wenn ein Mann den Geburtstag seiner Frau vergisst, hat er nicht gemerkt, dass sie ein Jahr älter geworden ist“, grinste er – und ein Zuhörer in der ersten Reihe notierte sich mit schmunzelnden Blick gleich eifrig den Spruch.

 

Bei allem Humor – den bei diesem Thema eminent wichtigen Aspekt der Würde ließ Kreitmeir nie aus den Augen. Nachdenkliche Blicke lagen in den Gesichtern der Zuhörer, als Kreitmeir  aus dem Buch „Ärztliche Seelsorge“ von Viktor Emil Frankl zitierte. Darin wird geschildert, wie der jüdische Psychologe, der vier Konzentrationslager überlebte, einer 80-jährigen, sterbenskranken Patienten mit einem einfühlsamen Gespräch zum Seelenfrieden kurz vor ihrem Tod verhalf. „Was Sie geleistet haben, kann niemand auslöschen. Sie können stolz sein auf Ihr Leben“, vertrieb er ihre anfänglichen traurigen Gedanken.

 

„Menschen neigen dazu, die abgeernteten Stoppelfelder der Vergänglichkeit zu sehen – und übersehen dabei die vollen Scheunenfelder der Vergangenheit“.

 

Der Mensch ist eben geneigt, zuerst das Negative zu sehen. Dabei haben ältere Menschen zumeist so viel Gutes und Wertvolles geleistet, ohne dass ihnen das später noch so richtig bewusst wird. Kreitmeir legte deshalb den Senioren, die auf ihr Leben zurückblicken oder gar in mancher schweren Stunde mit dem Schicksal hadern, das „Scheunengleichnis“ von Viktor E. Frankl ans Herz, welches dazu einlädt, sich gerade die positiven Erlebnisse in Erinnerung zu rufen: „Menschen neigen dazu, die abgeernteten Stoppelfelder der Vergänglichkeit zu sehen – und übersehen dabei die vollen Scheunenfelder der Vergangenheit“.

 

Bedrückende Aktualität spricht aus dem Grimm’schen Märchen „Das Tröglein“, welches Kreitmeir ebenfalls in seinen Vortrag einbaute und womit er, ohne es ausdrücklich zu sagen, deutlich machte, dass der Paragraph des Grundgesetzes keine Altersgrenze kennt. Ausgerechnet ein vierjähriger Bub öffnet in dem genannten Märchen seinen Eltern die Augen für die Erkenntnis, dass seelische Zuwendung im Alter genauso wichtig ist wie Speis und Trank.

 

Der den Franziskanerpater auszeichnende Mix an nachdenklich Machendem und Humorvollem kam wie immer gut an, das Publikum dankte mit herzlichem Applaus. Nach dem Vortrag konnten die Zuhörer selbst gebastelte Weihnachtsgeschenke von Ingeborg Hamisch erwerben, deren Erlös (wie auch freiwillige Spenden) in voller Höhe der Syrien-Hilfe der Franziskaner zugute kam. An einem Stand der Bücherwelt Pfaff Michelau wurde außerdem Literarisches zum Thema „Alter“ angeboten, wie „Gelassen älter werden“ von Anselm Grün, „Da geht noch was“ aus der Feder der Fernsehzuschauern bekannten Christine Westermann oder „Das Leben ist nichts für Feiglinge“, das der kürzlich verstorbene Joachim „Blacky“ Fuchsberger schrieb.

 

 

(Foto und Text: Mario Deller / Artikel vom 22.10.2014)

Weiterführender Link: Blacky Fuchsberger über sein Buch