Schönheit 2


Das einzige Mittel, für das Leben im Innern in seiner großen Schönheit zu erwachen,

besteht darin, zuerst der äußeren Schönheit zugänglich zu werden.

Wenn wir nicht auf unsere Welt mit aller ihrer unbegrenzten Schönheit,

auf die Natur und ihre Erhabenheit, auf Menschen, denen Gott innewohnt, achten,

wozu sind wir dann hierhergekommen und was haben wir hier vollbracht?

 

Wer sie nicht beachtet, wendet sich von etwas ab, das er unablässig sucht.

Er ist sein eigener Feind. Deshalb kann er weder geistig noch religiös sein.

Wenn er allem Schönen, das ihn umgibt, die Augen verschließt, kann er sich nicht begeistern.

 

Wenn nur die innere Schönheit der einzige Lebenszweck wäre,

hätte Gott den Menschen nicht erschaffen und auf die Erde gesandt.

Ferner ist es die Schau der Schönheit auf der Erde,

welche die Vision der im Geiste vorhandenen Schönheit in uns wachruft.

Man sagt, sie sei sinnlich und beraube der Erleuchtung.

 

Das geschähe allerdings, wenn wir ganz in ihr aufgingen,

nur in ihr lebten und nicht daran dächten, dass es außer ihr noch etwas anderes gibt.

Denn alle äußere Schönheit ist zweifellos vergänglich.

Sie geht vorüber, und deshalb ist kein Verlass auf sie.

 

Wer ganz auf diese Schönheit baut, wer ganz in ihr aufgeht

und wer ganz von ihr befangen der ewigen Schönheit den Rücken zukehrt,

ist ohne Zweifel im Irrtum.

Indessen hat keine Seele jemals die geistige Schönheit im Innern erschaut,

ohne für die äußere Schönheit erwacht zu sein.

 

(Hazrat Inayat Khan in: Worte die gut tun. Herausgegeben von Christian Leven.

Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 1998)