Predigt am 31. Sonntag i. Jkrs., Lj. C – 2022

(Lesung: Weish 11, 22-12,2; Evangelium: Lk 19, 1-10  )


Wir sind mitten im Herbst, die Sommerzeit endet an diesem Wochenende. Für viele Menschen ist diese Zeit mit Nebel, Kälte, Nässe und früher Dunkelheit eine innere Bedrohung, sie fühlen sich alleine und deprimiert. Hermann Hesse hat dies in Worte gefasst:

 

IM NEBEL

 

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den andern,

Jeder ist allein.

 

Voll von Freunden war mir die Welt,

Als noch mein Leben licht war;

Nun, da der Nebel fällt,

Ist keiner mehr sichtbar.

 

Wahrlich, keiner ist weise,

Der nicht das Dunkel kennt,

Das unentrinnbar und leise

Von allen ihn trennt.

 

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Leben ist Einsamsein.

Kein Mensch kennt den andern,

Jeder ist allein.

 

(Hermann Hesse, Wege nach Innen. 25 Gedichte ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Siegfried Unseld. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2000)

 

Ist das wirklich die ganze Geschichte vom Herbst und seinen Seelenstimmungen? Im Herbst erlebt die Natur eine große Verwandlung. Lebenskräfte und Lebenssäfte ziehen sich in die Wurzeln zurück, die Kraft des Sommers wird gespeichert und Früchte werden eingesammelt. Vieles stirbt ab ... um im Kreislauf des Lebens sich wieder neu und anders einzubringen.

 

Wir hören heute die Geschichte von Zachäus, die uns allen bekannt ist, oft schon seit Kindertagen. Diese Geschichte gilt jedem von uns. Da ist einer, der sich von anderen nicht geliebt fühlt und sich deshalb eine gesellschaftliche Position erarbeitet hat, wo er wenigstens von anderen gefürchtet wird, weil er die Macht eines Zolleintreibers hat. Der Kleine will dadurch größer werden, spürt aber in seinem Inneren, dass das nicht funktioniert.

 

Er sucht nach echtem Angenommensein und da tritt Jesus in sein Leben. Diese Begegnung verändert alles. Seine innere Heilung kommt von Gott, von der Wertschätzung, die Jesus ihm schenkt. Zachäus hat es nun nicht mehr nötig, sein "Kleinsein", sein geringes Ansehen mit viel Geld auszugleichen. Er spürt: er ist wirklich angenommen und geliebt.

Auch ich darf meinen Wert darin sehen, dass ich von Gott angenommen bin, dass er in mein Leben kommt, dass er mein Gast sein will. Jesus kann auch zu mir kommen mit seinen Worten, mit denen mir zugesagt wird, was wir in der Lesung aus dem Buch der Weisheit gehört haben: "Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du es gehasst, so hättest du es nicht geschaffen!" Ich darf mich ansehen, selbst wertschätzen und als von Gott geliebt spüren.

 

Diese ECHTE Liebe verändert alles ... Träume werden wahr ...

 

TRÄUME WERDEN WAHR

 

Ich träume,

dass mir jemand zuhört –

um verstanden zu werden.

 

Ich träume,

geachtet zu werden –

um an Selbstachtung zu gewinnen.

 

Ich träume,

dass jemand mit mir fühlt –

um Freud oder Leid teilen zu können.

 

Ich träume,

dass jemand mit mir teilt –

um nicht leer auszugehen.

 

Ich träume,

dass jemand mit mir sucht –

um eher ans Ziel zu gelangen.

 

Ich träume,

dass jemand mit mir hofft –

um mir Mut zu machen.

 

Ich träume,

dass jemand mit mir geht –

um keine Angst zu haben.

 

Ich träume,

dass Träume wahr werden.

 

(Aus: Christina Klein, Ines Klekamp, Jürgen Sander, Minuten am Morgen, München 2002)